Replizierbarkeit – das ewige Totschlagargument…

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…gegen die Homöopathie und andere unliebsame Dinge

Mangelnde Replizierbarkeit ist ja immer eines der Hauptargumente gegen die Datenbasis der Homöopathie. Dass mangelnde Replizierbarkeit nicht nur ein Problem der Homöopathie im Speziellen, sondern auch der Medizin und der Psychologie im Allgemeinen ist, ist mittlerweile bekannt.

Was weniger bekannt ist, ist die Tatsache, dass selbst extrem gut replizierte experimentelle Modelle oft nicht akzeptiert werden, wenn ein theoretisches Verständnis fehlt oder wenn mächtige Fachvertreter dagegen stehen. Das mache ich in einem gerade erschienenen Editorial an einem prominenten Beispiel deutlich.

Der Text, publiziert in der neuesten Ausgabe von Complementary Medicine Research, ist frei verfügbar und hier zugänglich:

Replizierbarkeit – das ewige Totschlagargument gegen die Homöopathie und andere unliebsame Dinge

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Arnika-Blüte

Arnica C30 und Bellis C30 nach Brust-Operation

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Lotan, A. M., Gronovich, Y., Lysy, I., Binenboym, R., Eizenman, N., Stuchiner, B., . . . Oberbaum, M. (2020). Arnica montana and Bellis perennis for seroma reduction following mastectomy and immediate breast reconstruction: randomized, double-blind, placebo- controlled trial.

European Journal of Plastic Surgery. doi:10.1007/s00238-019-01618-7

Arnica C30 und Bellis C30 verkürzen die Drainagezeit nach einer Brust-Operation

Harald Walach

Vorbemerkungen

Eine neue placebo-kontrollierte Studie hat zum ersten Mal untersucht, ob die beiden homöopathischen Medikamente Arnica montana und Bellis perennis in einer Potenz C30 nach einer Brust-Amputation und -Rekonstruktion bei Patientinnen mit Brustkrebs die Drainage-Zeit wirksam verkürzen können.

Nach einer Brustoperation bei Krebspatientinnen muss die Wunde nämlich eine Weile mit einem Drainage-Schlauch versorgt werden, der das Serum nach außen leitet. Denn die Lymphgefäße müssen sich neu organisieren und die Resorption von Lymphe und Serum läuft erst langsam an. Diese Drainage leitet Körperflüssigkeit aus der Wunde und ist eine potenzielle Quelle von Problemen, weil sie Infektionen oder Entzündungen begünstigt. Daher ist eine Verkürzung der Liegezeit einer solchen Drainage wichtig.

Konventionell gibt es hierzu keine Möglichkeit, weswegen das israelische Forscherteam von der Hebrew University um Menachem Oberbaum, der schon an einigen Studien zur Homöopathie beteiligt war [1-4], in diesem Falle Homöopathie untersucht hat.

Das Studiendesign

In dieser Studie wurden 70 Patientinnen angesprochen und 55 konsekutive Patientinnen waren bereit mitzumachen und wurden aufgenommen. Sie erhielten alle wegen eines Brustkrebses eine Operation an der Brust, Amputation und Rekonstruktion, und bekamen randomisiert Placebo, oder homöopathische Therapie. 29 Patientinnen wurden in die Homöopathie-Gruppe gelost, 26 in die Placebo-Gruppe; 5 Patientinnen der Placebo-Gruppe und eine Patientin der Homöopathiegruppe brach die Behandlung ab, aber alle 55 Patientinnen wurden ausgewertet.

Das ist eine konservative Auswertungsmethode, die Standard ist bei guten klinischen Studien, die sog. „intention to treat“-Methode. Dabei bleiben alle Patienten in der einmal zugewiesenen Gruppe und gehen mit dem letzten Wert in die Auswertung ein, schlimmstenfalls eben als Therapieversager. Weil die Auswertungseinheiten bei manchen Parametern nicht Personen, sondern die Anzahl der Brüste war und bei manchen Frauen beide Brüste operiert wurden, sind in den Tabellen manchmal andere Zahlen zu finden, was in den Legenden nicht immer klar ist.

Zielkriterium

Bei allen Patientinnen wurde nach der Operation eine Drainage gelegt. Das Zielkriterium war denkbar einfach, klar und hart: Die Zeit, die die Drainage nach Urteil des Chirurgen zu verbleiben hatte. Der Chirurg war natürlich, genauso wie alles Personal und die Patientinnen, verblindet gegenüber der Behandlung. Die Behandlung bestand in einer Kombination aus Arnica C30 und Bellis perennis C30.

Arnica ist den meisten Menschen bekannt als das sog. „Fallkraut“ aus der Volksheilkunde. Dort ist es schon lange bewährt zur Behandlung von Prellungen, Stauchungen und inneren und äußeren Blutungen aller Art. Allerdings sollte man es nicht in Urtinktur und auch nicht direkt auf die Haut anwenden.

Daher potenziert es die Homöopathie schon lange, und es hat den Status einer effektiven ersten Hilfe-Arznei bei Verletzungen, allerdings normalerweise vor allem bei stumpfen Verletzungen wie Stauchungen, die innere Blutungen zur Folge haben.

Bellis perennis, das Gänseblümchen, ist weniger bekannt. Es hat allerdings auch einen guten Ruf als Arzneimittel bei Wunden, die im tieferen Gewebe liegen.

Über die formelhafte Handhabung kann man streiten…

In dieser Studie wurde jedes Mittel in der C30 verwendet. Arnica wurde kurz vor der Operation eingenommen. Dann Arnica und Bellis C30 vier bis sechsmal am Tag über 24 Stunden, dann 3 weitere Tage beides dreimal am Tag und schließlich nur noch Bellis dreimal am Tag bis zur Entfernung der Drainage.

Über eine solche formelhafte Handhabung homöopathischer Therapie kann man streiten. Sie hat Vorteile, denn im Erfolgsfalle wie hier, kann sie leicht übernommen werden. Sie hat Nachteile, denn je nach individueller Reaktion müsste man eigentlich die Dosierung anpassen, vielleicht weniger oder mehr, je nach Erfolg. Sei’s drum.

Die Gabe von mehr als einer Arznei ist in der Homöopathie im Akutfall durchaus üblich und wurde auch von Hahnemann hin und wieder empfohlen und selber verwendet. Hahnemann war ja ohnehin der schlechteste aller Hahnemannianer und hat sich auch an seine eigenen Vorschriften nicht immer gehalten, wie seine therapeutischen Tagebücher gezeigt haben [5].

Voll verblindet

Um die Studie zu verblinden erhielten die Patientinnen der Placebogruppe genau das gleiche Regime, auch mit zwei verschiedenen Behältnissen, die kodiert waren, nur eben mit Placebo. Die Kodierung wurde mittels eines Computercodes von einer dritten Instanz durchgeführt, die die Arzneien lieferte. Somit war die Studie ganz verblindet. Die Medikation erfolgte als Zuckerkügelchen, 3 Stück als eine Dosis. Während die richtigen Arzneimittelkügelchen mit einer alkoholischen Lösung von Bellis bzw. Arnica C30 besprüht waren, wurden die Placebokügelchen mit Alkohol der gleichen Konzentration besprüht, so dass sie nicht unterscheidbar waren.

Neben dem Hauptzielkriterium wurden noch einige andere Variablen erfasst: Wundheilung und Komplikationen, Laborparameter, Schmerzen, Qualität der Erholung nach der Operation, gemessen am 4. Und 7. Tag der Operation.

Vergleichbarkeit der Gruppen

Bei solchen vergleichsweise kleinen Studien ist es immer wichtig zu sehen, ob die Patientinnen beider Gruppen einigermaßen vergleichbar waren, da die Randomisation eigentlich erst ab großen Studien mit ca. 100 bis 150 Leuten pro Gruppe konfundierende Variablen richtig gut per Zufall verteilt. Daher sieht man sich immer auch die Ausgangssituation der Patientinnen an. Diese war in diesem Falle relativ gut. Die Gruppen waren vor der Operation gut vergleichbar. Auch bei den Operationsprozeduren waren die Gruppen gut vergleichbar.

Nur was das Gewicht der amputierten Brüste und das Volumen der Implantate anging zeigten sich Unterschiede: Patientinnen der Placebo-Gruppe erhielten in der Operation mehr Brustgewebe entfernt und hatten daher ein höheres Implantat-Volumen. Dieser Unterschied trat erst nach der Randomisation und nach der Operation auf und die Autoren argumentieren, dass es keinerlei Hinweise darauf gibt, dass die Liegezeit von Drainagen mit der Menge des entfernten oder rekonstituierten Gewebes zusammenhängt und dass dieser Unterschied ja nach der Randomisation aufgetreten ist.

Das stimmt zwar, hätte aber meines Erachtens durch ein lineares Modell in der Auswertung aufgefangen werden können. Ein solches Modell hätte diesen Unterschied in die statistische Analyse mit einbeziehen können. Schade, dass die Autoren das nicht gemacht haben, denn so bleiben die Daten unnötig angreifbar.

Ergebnisse: siginifikanter Unterschied, mittelgroße Effektstärke

Beim Hauptzielkriterium ergab sich ein signifikanter Unterschied: die Liegezeit der Drainage betrug 11.1 Tag unter Homöopathie und 16,5 Tage unter Placebo. Die Effektstärke ist mit d = 0.4 mittelgroß. Dass der Effekt in einer Studie dieser Größe signifikant wurde, halte ich für einen kleinen Glücksfall. Denn die statistische Mächtigkeit liegt mit 1-beta = .37. Das bedeutet: Die Studie hatte die Wahrscheinlichkeit von 37% einen solchen Effekt zu entdecken, wenn er vorhanden ist. Damit haben die Autoren großes Glück gehabt, dass sie in dieser Studie einen signifikanten Effekt sahen. Vermutlich hatten sie auch einen größeren Effekt antizipiert.

Andere Parameter waren nicht verschieden, außer dass es einen Trend gab. Dass in der Homöopathie-Gruppe weniger Opiate gebraucht wurden, dürfte ein Hinweis auf geringere Schmerzen sein. Allerdings haben die Autoren vergessen, die präzisen Daten hierfür anzugeben und begnügen sich mit der Angabe des knapp nicht signifikanten p-Wertes von 0.058. Bei dreizehn Brüsten ergaben sich Komplikationen, die auf beide Gruppen gleich verteilt waren. Nebenwirkungen der Behandlung wurden nicht beobachtet.

Vergleich von Arnica-Studien

Dies ist eine der wenigen Studien mit relativ klarem Ergebnis unter Arnica, das positiv für die Homöopathie ist. Es gibt eine Reihe von Studien zu Arnica, aber nur wenige zeigen eine deutliche Überlegenheit. Eine Serie von drei Studien bei Operationen zeigt in einer Studie, bei der Arnica bei Kreuzband-Operation eingesetzt wurde einen Effekt, nicht aber bei Arthroskopie.

Dafür ist der Effekt im gemeinsamen Ergebnis, in dem alle drei Studien zusammengerechnet werden, signifikant [6]. Es gibt auch Studien, bei denen Arnica tendenziell schlechter abschneidet als Placebo [7]. Woran das liegt, dass man bei einer anscheinend klaren Indikation – Blutung, Verletzung – und einer anscheinend passenden Medikation – Arnica -, die in der Praxis in aller Regel sehr zuverlässig funktioniert, in einer Studie manchmal keinen Effekt sieht, darüber kann man gut spekulieren. Wir rechnen gerade an einer Meta-Analyse und werden sehen, ob der gepoolte Effekt über alle Studien hinweg signifikant ist.

Arnica für offene Wunden?

Möglicherweise ist ja die Ausweitung der Arnica-Indikation auf offene Wunden, wie in der Chirurgie, gar keine so gute Idee. Denn Arnica hat in der Indikation vor allem die Folgen von Druck-, Prell- und Stauchverletzungen.

Die gehen zwar auch mit inneren Blutungen einher. Diese sind aber relativ begrenzt und erzeugen den berühmten Arnica-Schmerz – „wie zerschlagen“ – vor allem durch eine zwar kleine, aber drückende Raumforderung des Hämatoms in inneren, schmerzempfindlichen Bereichen wie Gelenkkapseln, Sehnenansätzen, zwischen Faszien, etc. Und dort dürfte durch rasche Resorption eine schnelle Schmerzlinderung einsetzen.

Ich habe das selber des Öfteren erlebt, als ich mir nach einem gezerrten Außenband mit einer großen Schwellung am Knöchel durch eine abwechselnde Gabe aus Arnica und Rhus toxicodendron innerhalb weniger Tage wieder die übliche Beweglichkeit und Belastbarkeit verschaffen konnte.

Wenn die Ausweitung auf offene Wunden mit Schnittverletzungen, wie bei Operationen, keine gute Arnica-Indikation ist, wären da andere Arzneien, wie Staphisagria und Bellis perennis und vielleicht auch Calendula, möglicherweise wesentlich geeigneter. Das müsste untersucht werden.

Einordnung

Was mir beim Sichten der Arnica-Studien auffällt sind zwei Dinge:

Studien, die zum ersten Mal irgendwo mit diesem Modell – Arnica bei irgendeiner Verletzung – gemacht werden, sind in aller Regel deutlich signifikant und klar. Die frühe Studie von Hofmeyer zum Beispiel zeigt einen Effekt, aber nur von Arnica D6, nicht von D30, was eigentlich seltsam ist, wenn man von der klinischen Praxis ausgeht [8].

Die meisten Studien wenden die Therapie formelhaft an, also ein fixes Dosierungsschema. Dann tauchen immer wieder bei Nachfolgestudien oder Studien, die ein ähnliches Modell anwenden plötzlich deutlich mehr Besserungen unter Placebo auf, so als hätte sich die Arnica-Gabe verschlimmernd ausgewirkt. Das ist denkbar. Denn in der klinischen Praxis würde man Arnica-Gaben entweder nur so oft geben, bis Besserung einsetzt und dann aufhören, oder sie strecken, indem man die Kügelchen in Wasser auflöst und schluckweise alle Stunden einen kleinen Schluck nehmen lässt, oder eben überhaupt ein anderes Arzneimittel verwenden. Die formelhafte Verabreichung im Rahmen von Studien scheint nicht immer eine gute Idee zu sein.

Insofern haben die Autoren dieser Studie hier wohl Glück gehabt: Sie haben in einem durchaus ernsten, nicht einfachen Studienmodell mit einem sehr klaren, deutlich erfassbaren und klinisch relevanten Ergebnisparameter ein signifikantes und klinisch bedeutsames Ergebnis erzielt, obwohl die statistische Mächtigkeit zu wünschen übrig ließ.

Fazit

Diese Studie zeigt (wie etliche andere Studien): Eine methodisch sauber durchgeführte Studie kann klinische Effekte der Homöopathie über Placebo belegen –  auch wenn homöopathische Arzneien bis in den ultramolekularen Bereich jenseits der Avogadroschen Zahl potenziert werden. – In diesem Bereich kann man mit keinen Molekülen der Ausgangssubstanz mehr rechnen.

Zentral ist aber auch, dass man gerade bei offenen Wunden dreierlei beachtet:

  1. Arnica nicht zu tief potenziert verabreichen
  2. Aufhören mit der Arzneimittelgabe, wenn sich die Besserung zeigt bzw. die Abstände zwischen Einnahmen von Nachfolgedosen verringern
  3. Gerade bei stark blutenden Wunden nach der Versorgung unter Umständen andere Arzneimittel in Betracht ziehen: Bellis, Staphisagria, Calendula.

Referenzen

  1. Yakir M, Klein-Laansma CT, Kreitler S, Brzezinski A, Oberbaum M, Vithoulkas G, Bentwich Z: A Placebo-Controlled Double-Blind Randomized Trial with Individualized Homeopathic Treatment Using a Symptom Cluster Approach in Women with Premenstrual Syndrome. Homeopathy 2019;108:256-269.
  2. Frass M, Friehs H, Thallinger C, Sohal NK, Marosi C, Muchitsch I, Gaertner K, Gleiss A, Schuster E, Oberbaum M: Influence of adjunctive classical homeopathy on global health status and subjective wellbeing in cancer patients – A pragmatic randomized controlled trial. Complementary Therapies in Medicine 2015;23:309-317.
  3. Oberbaum M, Yaniv I, Ben-Gal Y, Stein J, Ben-Zvi N, Freedman LS, Branski D: A randomized, controlled clnical trial of the homeopathic medication TRAUMEEL S in the treatment of chemotherapy-induced stomatitis in children undergoing stem cell transplantation. Cancer 2001;92:684-690.
  4. Yakir M, Kreitler S, Brzezinski A, Vithoulkas G, Oberbaum M, Bentwich Z: Effects of homeopathic treatment in women with premenstrual syndrome: a pilot study. British Homeopathic Journal 2001;90:48-153.
  5. Michalowski A, Sander S, Sauerbeck K-O: Therapiegeschichtliche Materialien zu Samuel Hahnemanns Pariser Praxis. Medizin, Gesellschaft und Geschichte 1989;8:171-196.
  6. Brinkhaus B, Wilkens JM, Lüdtke R, Hunger J, Witt CM, Willich SN: Homoeopathic arnica montana for knee surgery. Complementary Therapies in Medicine 2006;14:237-246.
  7. Ramelet A-A, Buchheim G, Lorenz P, Imfeld M: Homeopathic Arnica in postoperative haematomas: A double-blind study. Dermatology 2000;201:347-348.
  8. Hofmeyr GJ: Postpartum homoeopathic Arnica montana: a potency-finding pilot study. British Journal of Clinical Practice 1990;44:619-621.
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Homöopathie und Depression – 2

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Viksveen, P., Relton, C., & Nicholl, J. (2017). Depressed patients treated by homeopaths: a randomised controlled trial using the “cohort multiple randomised controlled trial” (cmRCT) design. Trials, 18(1), 299.

https://trialsjournal.biomedcentral.com/articles/10.1186/s13063-017-2040-2

Klassische homöopathische Therapie bringt zusätzlichen Vorteil

Harald Walach

Vorbemerkung

Obwohl diese Studie noch relativ neu ist, gehört sie mittlerweile auch schon fast zu den „Klassikern“ und passt sehr gut zu den Depressionsstudien, die ich zuletzt besprochen habe. Sie passt auch deswegen gut, weil sie zu den ausgeschlossenen Studien gehört, die der französische HTA nicht besprochen hat, weil ihr Ergebnis nicht aus dem französischen Gesundheitssystem kommt. Vielleicht auch, weil es sich um ein ungewöhnliches, neues Design handelt. Die Studie wurde im englischen Gesundheitssystem durchgeführt und ist daher durchaus relevant für die öffentliche Gesundheitsversorgung, und als „open access“ Publikation kann sie leicht von jedermann gelesen werden.

Natürliche Kohorten

Das neue Design nennt sich etwas gestelzt „cohort multiple randomised controlled trial“. Dahinter verbirgt sich eine pragmatische Studie, die in eine natürliche Kohorte eingebettet ist. Natürliche Kohorten sind epidemiologische Langzeitstudien, die irgendwo begonnen werden. Dazu wird eine ausreichend große Gruppe von Menschen oder Patienten gewonnen, die bereit sind sich über einen längeren Zeitraum beobachten zu lassen und regelmäßig Daten abzuliefern. Entweder über Fragebogen, oder Interview, oder medizinische Daten oder eine Mischung davon. Meistens werden solche Datenmeßpunkte in jährlichem, manchmal auch in kleineren oder größeren Abständen erhoben.

In eine solche Kohorte wird nun bei diesem neuen Design eine randomisierte Studie eingebettet. Das funktioniert so, dass einer Zufallsauswahl der Kohorte bei einem Folgebesuch eine zusätzliche Intervention, in diesem Falle klassische Homöopathie, angeboten wird. Diejenigen, die das Angebot annehmen, werden dann entsprechend behandelt, diejenigen, die das Angebot nicht erhalten aber theoretisch hätten erhalten können, dienen dann als Kontrolle. Dieses Modell wurde in der hier vorliegenden Studie benutzt.

Die Kohorte war die“Yorkshire Health Study“, eine longitudinale Beobachtungsstudie in Yorkshire, England, die damals 22.179 Personen umfasste, also eine relativ große Zahl von Menschen unter regulärer Beobachtung. Von diesen hatten 5.740  eine bereits seit längerem bestehende Depression angegeben. Das ist immerhin ein Viertel der gesamten Kohorte und als solches schon ein bemerkenswertes Faktum.

Viele profitieren von den konventionellen Therapien nicht

Ich erinnere an das, was ich im früheren Blogbeitrag erwähnt habe: Depressionsbehandlung durch Psychopharmaka ist weniger gut gesichert als man das immer glauben mag. Wenn sie wirklich so gut, und vor allem kausal, funktionieren würde, wie man meint, dann dürfte Depression nicht diejenige Krankheit sein, von der die WHO die meisten Ausfalltage aller Krankheiten ab 2020 erwartet.

Die depressiven Patienten dieser Kohorte waren alle in „normaler“ konventioneller Hausarzt-Versorgung in England. Das bedeutet in England: Psychopharmaka, kognitive Verhaltenstherapie und Gesprächstherapie, je ein Kurs, und wenn es nichts hilft war’s das eben. Davon kann ich ein Lied singen, denn als ich selber in England war, kam der Leiter des lokalen Mental Health Trusts, der für die Versorgung solcher Patienten zuständig ist, zu mir und bat mich, Achtsamkeitsgruppen anzubieten für solche Patienten, denn er hätte sehr viele, die von den konventionellen Therapien überhaupt nicht profitieren würden.

PHQ9: Zuverlässige Diagnosen durch Eigenangaben

Die Patienten in dieser Kohorte waren also „normale“ Depressionspatienten die laut Eigenangabe im Fragebogen an Depressionen litten. Dazu wurde der Patient Health Questionnaire mit 9 Items (PHQ9) verwendet. Das ist sowohl ein Screening- als auch Outcome-Instrument, das anhand der Symptomatologie des Diagnostischen und Statistischen Manuals zur Diagnose psychischer Störungen (DSM IV) der amerikanischen psychiatrischen Vereinigung entwickelt wurde [1] und relativ zuverlässig darin ist, anhand von Eigenangaben eine solche Diagnose zu stellen; die Spezifizität und Sensitivität beträgt 88%.

Das bedeutet, in 88% der Fälle, in denen jeman 10 oder mehr Punkte auf dieser Skala hat liegt wirklich eine echte Depression lt. DSM IV vor und in 88% der Fälle, in denen jemand psychische Probleme hat kann der Fragebogen zuverlässig zwischen Depression und anderen Problemen trennen. Das ist für ein Instrument mit 9 Items, die Depression erfassen und 6, die Angst erfassen recht gut. Der Höchstwert für Depression auf diesem Instrument wäre 27 Punkte, und dann hat man jeden Tag Selbstmordgedanken, kommt nicht aus dem Bett, hat keinen Appetit, schläft schlecht oder zu lang, usw. 10 Punkte signalisieren eine deutliche Belastung, und das war hier der Punkt, an dem Menschen als depressiv diagnostiziert wurden und eingeschlossen wurden.

Die Intervention war nicht die Behandlung selbst

Insgesamt ein Viertel dieser Kohorte erfüllten also diese Kriterien einer selbst berichteten Depression, erhielten einen zusätzlichen Fragebogen, den knapp 40% zurücksandten. Von diesen erfüllten 566 die Einschlusskriterien und 185 wurden per Zufall ausgewählt, um ein freies Zusatzangebot für homöopathische Behandlung zu erhalten.

Das ist wichtig zu verstehen: die experimentelle Intervention war nicht die homöopathische Behandlung, sondern das Angebot, eine solche Behandlung zu bekommen, oder eben nicht. Die anderen erfuhren nämlich gar nicht von dem Angebot. Und von denen, die das Angebot erhielten, nahmen es 74 an und 111 nicht. Die anderen 381, die den Fragebogen zurücksandten aber nicht ausgewählt wurden, waren damit in der Kontrollgruppe.

Das ist ein interessantes Design deswegen, weil damit bei niemandem Hoffnungen geweckt werden, die dann durch Randomisationsergebnisse durchkreuzt werden, wie das bei klassischen Studien der Fall ist. Vielmehr können die Patienten wählen, wie im normalen Leben auch und werden durch das klinische Experiment allenfalls auf ein Zusatzangebot aufmerksam gemacht, das sie in Anspruch nehmen können oder nicht.

Das Element der freien Wahl bleibt also erhalten, aber das Element, das normalerweise in der freien Praxis vorhanden ist, ein möglicherweise bestehender Homöopathie-Enthusiasmus bei Patienten, das fehlt hier. Eine solche Studie ist also relativ nahe an der Realität, abgesehen von der vielleicht wichtigen therapeutischen Entscheidung eines Patienten, sich jetzt wirklich aufzumachen und doch mal was anderes auszuprobieren, die normalerweise eine Rolle spielt, wenn Menschen einen homöopathischen Arzt aufsuchen.

Therapie in Englands „integrierten Praxen“

Die homöopathische Therapie wurde von 7 Homöopathen in drei integrierten Praxen angeboten. Dazu muß man wissen: in England arbeiten sehr häufig integrierte Teams in Großpraxen zusammen und wenn solche Praxen im Rahmen des National Health Service operieren, was sie meistens tun, dann ist es den Praxisleitern freigestellt, den Patienten im Rahmen ihres Budgets anzubieten, was auch immer sie für richtig halten. Dann kann es durchaus auch sein, dass Geistheiler, Masseure oder Homöopathen in solchen Praxen mitarbeiten. Leider ist nicht bekannt, was für Art von Homöopathen dies in dieser Studie waren, ob Laien- oder ärztliche Homöopathen. Es ist nur beschrieben, dass die Patienten 9 Monate behandelt wurden und auf die Art und Weise, die diese Homöopathen für richtig hielten.

Die beiden Patientengruppen waren zu Anfang der Studie sehr gut miteinander vergleichbar, hatten ungefähr gleich viel medikamentöse Antidepressionsbehandlung, nämlich 43.7% und 40.7 % in der Experimental- und Kontrollgruppe und beide Gruppen nahmen im Durchschnitt 4.7 Medikamente ein. Die Baseline Belastung war mit 16,9 bzw. 17 Punkten in den beiden Gruppen durchaus deutlich, und 28.1% bzw. 30% der  Patienten hatten eine schwere Depression mit Punktwerten zwischen 20 und 27.

Ergebnisse: Signifikante Effekte beim „Superplacebo“

Die Hauptanalyse stützte sich auf die Veränderung des PHQ9-Wertes, der die Depression erfasst. Dieser sank in der Gruppe derer, die das Angebot erhalten und angenommen hatten nach 6 Monaten um 2.6 Punkte, ein Unterschied, der mit p = 0.018 signifikant war und hielt sich nach 12 Monaten mit einer Differenz von 2.4 Punkten gegenüber Baseline stabil. Die Effektstärke war mit d = 0.57 nach 6 Monaten und d = 0.53 nach 12 Monaten klinisch bedeutsam. Als sekundäres Zielkriterium wurde die Angst gemessen. Diese sank ebenfalls signifikant mit einer Effektstärke von d = 0.61 nach 6 und d = 0.59 nach 12 Monaten.

Damit zeigt sich also die homöopathische Zusatztherapie der Standardtherapie in dieser pragmatischen Studie als überlegen. Die Effekte sind klinisch bedeutsam, mehr als eine halbe Standardabweichung groß und damit größer als das, was NICE, die englische Behörde, die Empfehlungen für Behandlungen abgibt, für eine Depressionstherapie gegenüber Placebo fordert. Ist die Standardtherapie ein Placebo? Vielleicht. Ist die Homöopathie ein Placebo? Vielleicht. Aber dann ein Superplacebo, das auf das vorhandene Placebo nochmals eine halbe Standardabweichung an Effekt draufsattelt. Das gelingt keiner pharmakologischen Therapie, die klassischer Weise etwa ein Drittel Standardabweichung maximal gegenüber Placebo vorweisen können.

Kritik

Natürlich, werden Kritiker sagen, hier wurde Homöopathie im Gesamtpaket untersucht: Konsultation, diätetische Anregungen, soziale Unterstützung plus Kügelchen, und man weiss nicht mal, wie kompetent die Homöopathen waren. Aber im pragmatischen Sinne kann man sagen: dies ist eben die Homöopathie, die man erhält, wenn man in Doncaster, Yorkshire, zu einem Homöopathen geht. Und die Studie beantwortet die Frage: Hat das einen Zusatznutzen zu dem, was passiert, wenn einen der Hausarzt behandelt. Die Antwort: Ja, hat es, und zwar klinisch und statistisch bedeutsam.

Kritiker könnten auch sagen: egal was man macht, wenn man irgend etwas Zusätzliches macht, hat das eben einen Effekt von ca. einer halben Standard-Abweichung. Es könnte auch eine Therapie sein, bei der man eine Stunde lang ein Kinderbuch anschaut oder Märchen vorgelesen bekommt. Denkbar. Aber aus meiner Sicht nicht sonderlich plausibel. Wenn jemand eine solche andere Zusatztherapie für angebracht hält, müsste sie vielleicht ebenso in einem solchen Design, oder idealerweise auch in einer mehrarmigen Studie dieser Art untersucht werden. Vielleicht könnte man sich ja auch ein Superplacebo ausdenken, das entsprechend beworben wird und dies dann anbieten.

Das ist alles denkbar und theoretisch richtig. Der Punkt ist: bis jetzt ist eine solche Therapie in der Praxis weder bekannt noch angewandt worden und daher haben wir auch kein Wissen darüber. Hier wissen wir nur: wenn man zusätzlich zu der ja nun aus Studien bekannten und angeblich wirksamen Depressionstherapie Patienten noch Homöopathie anbietet und diese dieses Angebot annehmen, dann erleben sie nochmals eine Besserung in der Höhe von einer halben Standardabweichung. Ob aufgrund der Kügelchen, des Gesamtpakets, oder weil einfach irgendwas Zusätzliches passiert, wissen wir nicht. Immerhin.

Fazit: Saubere Studie, solide Auswertung

Die Studie ist aus meiner Sicht sauber gemacht. Die Autoren haben sich viel Mühe gegeben, die nicht ganz einfache Studie solide auszuwerten. Sie haben einen Weg mit einer neuen Analysemethode gefunden, die Patienten, die das Angebot angenommen haben mit denen zu vergleichen, die es nicht erhalten haben, ein Mittelding zwischen einer klassischen intention-to-treat Analyse und einer Analyse, in der nur die betrachtet werden, die auch Daten geliefert haben.

Das erste wäre in einem solchen Fall zu konservativ, das zweite zu schönfärberisch. Der eingeschlagene Weg scheint mir eine realistische Schätzung zu sein. Da die Studie pragmatisch war, und alle Patienten frei waren alles Mögliche zusätzlich zu unternehmen und die Auswahl zufällig war, spielen konfundierende Faktoren wie Sternzeichen, Zusatztherapien, Ernährungsgewohnheiten oder politische Einstellung keine Rolle und die Interpretation ist eigentlich einfach.

Denn es gibt zwei Möglichkeiten, dieses Ergebnis zu interpretieren: Entweder diese Süd-Yorkshire Homöopathen haben ein Spezialrezept, um bei normalen Depressionspatienten in Yorkshire einen Superplacebo-Effekt auszulösen. Dann sollten wir schleunigst lernen wie das geht. Denn, dann könnten wir uns die ganze pharmakologische Maschinerie sparen, die vor allem viele Nebenwirkungen und relativ bescheidene Wirkungen erzeugt. Oder aber es ist eben an der Homöopathie doch was dran, was es zu verstehen gilt.

Referenz

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Homöopathie bei prämenstruellem Syndrom

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Eine Replikationsstudie von Michal Yakir:

Yakir, M., Klein-Laansma, C. T., Kreitler, S., Brzezinski, A., Oberbaum, M., Vithoulkas, G. & Bentwich, Z. (2019). A Placebo-Controlled Double-Blind Randomized Trial with Individualized Homeopathic Treatment Using a Symptom Cluster Approach in Women with Premenstrual Syndrome. Homeopathy, 108(04), 256-269. doi: 10.1055/s-0039-1691834

Homöopathie bei prämenstruellem Syndrom – eine erfolgreiche, randomisierte, placebokontrollierte Replikationsstudie

Harald Walach

Vorbemerkung

Ich habe eine Wette verloren und freue mich zum ersten Mal darüber. Die gerade publizierte Replikationsstudie von Michal Yakir zeigt, dass sie ihre früheren Pilotdaten [1] wiederholen konnte. Ich hatte vor bald 20 Jahren gewettet, dass die Replikation nicht klappen würde und habe mich lange gewundert, warum ich nichts mehr von der Studie gehört habe.

Jetzt wurde das Geheimnis gelüftet: Die Arbeit war schon eine Weile fertig, als Doktorarbeit an der Hebrew University in Jerusalem, aber die Autorin hatte scheinbar keine Zeit oder keine Lust mehr, daraus eine Publikation zu machen. Das Problem kenne ich von meinen Doktoranden; dann setze ich mich selber hin und schreibe eine Publikation. Aber das war scheinbar der Betreuerin zu viel Arbeit, und so haben das nun andere, eine holländische Gruppe, nachgeholt. Dabei wurden die Daten nochmals analysiert und geprüft.

Die Studie

Die Autorin hat 105 Frauen mit prämenstruellem Syndrom behandelt und ein homöopathisches Interventionsmodell verwendet, von dem Vithoulkas sagt, er hätte es erfunden. Das es aber tatsächlich so schon länger in der Literatur gibt: Dabei werden Arzneien verwendet, die für ein bestimmtes Syndrom häufig in Erwägung gezogen werden. Deren hauptsächlichen Symptome werden beschrieben und vorab definiert. Und wenn dann eine Patientin kommt, die diesen Symptomclustern entspricht, wird sie in die Studie aufgenommen und erhält das indizierte Medikament.

So haben etwa Brigo und Whitmarsh gearbeitet [2, 3] oder Peter Fisher [4] und einige andere auch. Der Vorteil dieser Methode ist offensichtlich: Es ist klar definiert, wer welches Arzneimittel bekommt und warum; alle anderen werden eben nicht aufgenommen. Der Nachteil ist auch klar: Das ist eine Vereinfachung der klassisch-homöopathischen Methode, wenn auch eine vertretbare.

Während in der Pilotstudie nur 6 Arzneimittel definiert waren, waren es hier 14, damit mehr Frauen eingeschlossen werden konnten. Frauen, die an prämenstruellem Syndrom litten, führten über zwei Monatszyklen hinweg ein Tagebuch über ihre Beschwerden und erhielten dann, am 10. Tag ihrer nächsten Menstruationsperiode, ein einzelnes Arzneimittel in einer einzigen Potenzgabe von C200. Sonst nichts.

Placebo, doppelt verblindet

Oder eben Placebo, und das doppelt verblindet, versteht sich. Das ist elegant und sehr mutig, denn dann mischt sich nichts, es wird nichts anderes gemacht. Der weitere Verlauf wurde dann noch 3 Monate im Tagebuch aufgezeichnet und mit der Kontrollgruppe verglichen. Begleitmedikation war erlaubt und wurde neben der Suggestibilität aufgezeichnet.

Das Messen der Suggestibilität ist so eine Sache. Das haben wir selbst auch eine Weile probiert und sind davon abgekommen, weil es sich mit einem Fragebogen als zu problematisch herausgestellt hat. Die Autoren haben anscheinend ein hauseigenes Instrument verwendet, das nicht publiziert ist und ihre Daten zeigen keinen Zusammenhang zwischen Ergebnis und Suggestibilität.

Das prämenstruelle Syndrom bietet sich deswegen als Studienmodell an, weil es in diesem Feld praktisch keine brauchbare Therapie gibt und die Frauen, die darunter leiden, manchmal stark und über viele Jahre leiden.

Das Ergebnis

Das Ergebnis ist knapp, aber deutlich: Der Tagebuchwert ging in der Homöopathiegruppe von 0,443 auf 0,287 zurück und in der Placebogruppe von 0,426 auf 0,340. Die Verbesserung war in beiden Gruppen unterschiedlich stark und signifikant verschieden (Siehe Abbildung). Die Irrtumswahrscheinlichkeit des varianzanalytischen Tests lag mit p = 0.043 knapp unter der konventionellen Grenze und der Effekt ist mit einer Effektstärke von d = 0.17 eher klein und damit unter klinischen Gesichtspunkten nicht sehr bedeutsam. Aber der Punkt an dieser Studie ist ja vor allem ihr prinzipieller Charakter: dass mit einer einzigen Gabe einer passenden Hochpotenz von C200, nach dem Ähnlichkeitsgesetz verabreicht, eine statistisch deutlichere Verbesserung erzeugt werden konnte als mit einem Placebo.

Original-Abbildung 3 aus Yakir et al. (2019) Homeopathy, 108(04), 256-269. doi: 10.1055/s-0039-1691834 mit freundlicher Genehmigung des Thieme Verlags. Schwarze Rauten: Schmerz-Werte vor der Behandlung, graue Vierecke, Werte nach der Behandlung je Patient; links die Placebo-, rechts die Homöopathiegruppe; die eingekreisten Werte stellen die besonders deutlichen Verbesserungen dar

Die Studie war sehr sorgfältig betreut. Das sieht man daran, dass in der Homöopathiegruppe nur 6 Patientinnen und in der Placebogruppe nur 3 ausfielen, davon insgesamt 3 wegen Schwangerschaft. Die anderen kamen nicht wieder bzw. nahmen die Arznei erst gar nicht ein.

Die Auswertung

Die Auswertung berücksichtigte alle Patientinnen, aber es ist nicht ganz klar, ob auch diese ausgefallenen dabei waren. Meine Vermutung ist, dass dies nicht der Fall war. Das wäre aus meiner Sicht aber auch vertretbar, weil sie alle vor der ersten Datenerfassung ausfielen bzw. durch Schwangerschaft ein Ausschlusskriterium eintrat und daher der Ausschluss dieser Patientinnen protokollgemäß war. Alle anderen Daten wurden ausgewertet. Die Datengüte war offenbar hoch, denn 97,7% aller Tagebücher waren komplett. Die anderen wurden, , wie man das üblicherweise macht, interpoliert. Studientechnisch scheint mir die Studie daher sauber zu sein.

Man könnte bemerken, dass man vermutlich in der Praxis mit anderen Gaben, vielleicht auch mit Wiederholungen und individuell angepassten Arzneimittelpotenzen sowie dem Wechsel des Arzneimittels nach ein paar Wochen mehr klinischen Erfolg erreichen könnte. Aber all das war hier nicht Studienziel. Die erfolgreiche Replikation an sich ist von Bedeutung und der wissenschaftliche Nachweis, dass man mit einer einzigen Potenz C200, einigermassen sauber gewählt, mehr ausrichtet als mit einer Placebogabe.

Kein Zufall

Dass dies nicht nur ein Zufallsbefund ist, zeigen die anderen Parameter, die ebenfalls deutlich sind: Die Verwendung von Begleitmedikation ging in der Studiengruppe um 75% zurück, in der Placebogruppe um 36%, was ebenfalls ein signifikanter Unterschied ist. Die Anzahl der Krankschreibungstage ging in der Behandlungsgruppe um 91% zurück, während sie in der Placebogruppe um 9% stieg, ein offensichtlicher und statistisch signifikanter Unterschied.

Der Effekt ist also konsistent über verschiedene Parameter hinweg sichtbar und zeigt sich auch im Hauptzielkriterium signifikant. Wenn man sich die Verläufe anschaut, die in der Abbildung 3 der Originalpublikation abgebildet sind, dann sieht man: Der Effekt kommt vor allem deswegen zustande, weil in der Verumgruppe kaum Verschlimmerungen auftreten, aber einige sehr deutliche Besserungen.

Insgesamt haben viele Frauen gar nicht so starke Beschwerden, was den Studieneffekt verdünnt: denn es stellt einen sogenannten Boden-Effekt dar. Bei geringen Beschwerden, kann sich auch nicht wirklich viel verbessern. Bei denen, die stärkere Beschwerden hatten, ist der Effekt sehr deutlich sichtbar. Interessanterweise sieht man auch in der Placebogruppe viele Verbesserungen, aber zusätzlich eben auch stärkere Verschlechterungen. Was ich speziell interessant finde ist, dass homöopathische Verschlimmerungen auch bei 47% der Placebogruppe auftraten, im Vergleich zu 62% bei der Homöopathiegruppe.

Fazit

Insgesamt ist dies also eine deutliche, statistisch-wissenschaftlich signifikante Studie, die zeigt, dass gut gewählte homöopathische Arzneien in einer Potenz C200 anders und besser wirken als Placebo. Sie ist von Bedeutung, weil sie die Wiederholung einer erfolgreichen Pilotstudie darstellt. Methodisch gibt es, finde ich, an dieser Studie wenig auszusetzen, außer, dass die Hauptautorin zu lange damit gewartet hat, diese Daten zu publizieren. Das ist schade, denn sonst wären sie in die verschiedenen Meta-Analysen eingegangen.

Referenzen

  1. Yakir, M., Kreitler, S., Brzezinski, A., Vithoulkas, G., Oberbaum, M., & Bentwich, Z. (2001). Effects of homeopathic treatment in women with premenstrual syndrome: a pilot study. British Homeopathic Journal, 90, 48-153.
  2. Brigo, B., & Serpelloni, G. (1987). Le traitement homéopathique de la migraine: une étude de 60 cas, controlée en double aveugle (remède homéopathique vs. placebo). Journal of the Liga Medicorum Homoeopatica Internationalis, 1, 18-25.
  3. Whitmarsh, T. E., Coleston-Shields, D. M., & Steiner, T. J. (1997). Double-blind randomized placeo-controlled study of homoeopathic prophylaxis of migraine. Cephalalgia, 17, 600-604.
  4. Fisher, P., Greenwood, A., Huskisson, E. C., Turner, P., & Belon, P. (1989). Effect of homoeopathic treatment on fibrositis (primary fibromyalgia). British Medical Journal, 299, 365-366.

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Frankreich hat die Homöopathie aus der öffentlichen Erstattung genommen

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– wegen angeblicher Unwirksamkeit –

Ein paar Gedanken zum französischen Homöopathie Health Technology Assessment Bericht

Harald Walach

Im Sommer hat Frankreich bekanntlich die Homöopathie aus der öffentlichen Erstattung genommen. Grundlage dafür war ein offizielles Health-Technology-Assessment Dokument. In ihm werden Vorläufer-Entscheidungen, namentlich der Australische Bericht, genannt. Von diesem hat sich ja, das habe ich im letzten Blog dargelegt, gezeigt, dass die Behörde gegen ihre eigenen Richtlinien verstieß, einen positiven Vorgängerbericht klammheimlich in der Schublade verschwinden ließ, um dann mit dem offiziellen negativen aufzuwarten. Nun passiert in Frankreich etwas Ähnliches, nur anscheinend etwas systematischer und wissenschaftlicher und ohne, dass erst ein positiver Bericht entstehen konnte, den man dann peinlicherweise hätte verschwinden lassen müssen. Da ist die französische Bürokratie seit Napoleon um einiges effizienter. Wenn man das Dokument liest, das unter https://www.has-sante.fr/upload/docs/application/pdf/2019-06/homeopathie_pic_avis3_cteval415.pdf frei verfügbar ist [1], dann ist man erst einmal beeindruckt von der Sorgfalt der Hintergrundrecherche: 364 systematische Reviews und 517 randomisierte kontrollierte klinische Studien (RCTs) identifizierte sie. Da sag noch einer, es gäbe keine Forschung zur Homöopathie!

Doch dann passiert, zauber-zauber, Abrakadabra, das, was jeder systematische Reviewer unbedingt braucht, damit er überhaupt eine Chance hat den Überblick zu behalten: Dann werden ein paar ganz unschuldig klingende Ausschlusskriterien angelegt, die ganz vernünftig klingen und die Informationsdichte reduzieren. Da werden eben nur solche Einzelstudien eingeschlossen, die nicht schon in systematischen Reviews und Meta-Analysen verbacken sind. Und natürlich nur solche Studien, die nicht auch für Marktautorisierung verwendet worden sind. Das finde ich jetzt mal eine kluge Idee! Wenn man das auf konventionelle pharmakologische Produkte anwenden würde, dann hätte man gleich mehrere Klassen extrem teurer Medikamente vom Tisch, z.B. die meisten Krebsmedikamente, fast alle Psychotropika und vermutlich noch ein paar mehr. Warum da noch keiner drauf gekommen ist? Jedenfalls, man darf der Haute Autorité de Santé (HAS) zu dieser genialen Idee gratulieren. Außerdem sind alle Studien ausgeschlossen, die nicht auf Englisch und Französisch publiziert sind, denn andere Sprachen können sie ja bekanntlich in Frankreich nicht. Deutsch fällt dann flach. Und wenn man in die Liste der ausgeschlossenen Studien blickt, dann ist da eine ganze Reihe drunter, die deswegen nicht weiter in Betracht gezogen worden sind. Denkbar, aber eigentlich eine schlechte Idee, wenn man schon den Anspruch hat sorgfältig zu sein. Und dann, ja klar, werden alle Studien ausgeschlossen, die man nicht kriegt, weil sie vielleicht nur in einer obskuren Publikation in einem Verlag im Hindukusch verlegt sind. Kann man verstehen. Wenn man dann mal genau schaut, was das für Studien sind, die da nicht auffindbar waren (seitens der Bibliothéque National, schätze ich mal, Frankreichs Prachtstück, wo sozusagen alles, was auf der Welt an geistigem Wert publiziert wird, gebunkert wird), dann sieht man: Das waren Studien aus dem Jahr 2003 oder 2005, wichtige Studien, etwa die Sepsis-Studie von Frass, die in Homeopathy publiziert wurde [2]. Die meisten Studien, die da als nicht auffindbar markiert sind, kommen aus Homeopathy, eine der ältesten medizinischen Spezialzeitschriften, eine Zeitschrift die lange von Elsevier verlegt wurde, jetzt von Thieme, die Medline gelistet ist und mindestens einmal in jedem Land der Welt verfügbar ist. Die ist nicht auffindbar? Welche Bibliothekare waren denn da am Werk? – fragt man sich. Ja, und dann noch ein wichtiger, einsichtiger Grund: Wenn eine Intervention gar nicht Homöopathie war, sind die Studien auch ausgeschlossen. Klar, leuchtet ein. Dann sieht man ins Verzeichnis und stellt fest: Studien, die mit LM-Potenzen gemacht wurden, wurden grundsätzlich ausgeschlossen, etwa die wegweisende Studie von Heiner Frei und Kollegen, die gezeigt hat, dass man mit Homöopathie ADHS sehr gut behandeln kann [3] oder die Depressionsstudie von Adler [4], die wir vor kurzem besprochen haben. Das ist zwar ärgerlich, weil damit einige wirklich klinisch, wissenschaftlich und modell-theoretisch sehr gute Studien ausgeschieden wurden, aber in Frankreich gibt es eben keine LM-Potenzen in der öffentlichen Versorgung und von daher kann man das noch verstehen.

Auf jeden Fall, das Ergebnis der Zauberei: Aus den 881 Studien werden auf diese Weise ganze 21, die man zu Kenntnis nehmen muss; und von denen, die das öffentliche Versorgungssystem betreffen und die nicht notwendiger Weise randomisierte klinisch-experimentelle Studien waren sondern epidemiologische Beobachtungsstudien, bleiben dann noch fünf übrig. Die ganze Expertise stützt sich also auf 26 Studien. Das sind gerade einmal 3% der gesamten Datenbasis. Natürlich, man kann sich auf den Standpunkt stellen, dass die Synthese der Einzelstudien ja von den systematischen Reviews gemacht worden ist. Das stimmt dann, wenn diese Reviews sauber gemacht worden sind bzw. wenn deren Ausschlusskriterien nicht auch auf wackligen Beinen standen. Da das nicht immer gegeben ist, ist aus meiner Sicht dieses Vorgehen nur begrenzt zulässig. So gilt auch hier, was ich schon bei früherer Gelegenheit immer wieder betont habe, ein Schluss, den Hahn (https://www.karger.com/Article/FullText/355916) deutlich gemacht hat [5]: Man kann nur dann zum Schluss kommen, dass Homöopathie klinisch unwirksam ist, wenn man mehr als 90% aller Daten ignoriert. Genau das ist nun mal wieder passiert. Dann stimmt natürlich die Schlussfolgerung. Dann sieht auch alles ganz wissenschaftlich aus, und dann kann man die Entscheidung natürlich auch politisch vertreten. Mein Eindruck ändert sich dadurch kaum, was die öffentliche Behandlung der Homöopathie angeht und meine Diagnose ist nach wie vor:

Die Homöopathie stellt ein theoretisches Ärgernis dar. Denn wir verstehen nicht, wie das denn überhaupt funktionieren können soll. Also, so die Konsequenz der meisten, kann es apriori gar nicht funktionieren. Dann setzen wir den Filter auf, der auch genau dieses Ergebnis erzeugt, indem wir all die Daten, die dieser Vormeinung nicht entsprechen, ignorieren. Und fertig ist die Zitierkatze, die sich in den Schwanz beißt: Kann nicht funktionieren, sagt die Vormeinung. Wird nicht funktionieren, sagt die Erwartung. Funktioniert auch nicht, sagt das HTA-Ergebnis, gestützt auf all die Daten, die diese Meinung bestätigen.

Vielleicht sollte man nochmals auf einen winzigen Sachverhalt hinweisen, den ich vor Zeiten schon mal kurz beschrieben habe (https://www.homöopathie-forschung.info/alles-zufall/): Vor vier Jahren erschien ein amerikanischer Marktforschungsbericht, der der Homöopathie ein wirtschaftliches Wachstum weltweit von 400 Millionen Marktumsatz auf 17 Milliarden prophezeite, also ein Wachstum um den Faktor 40, getrieben von der Entwicklung in Europa, vor allem in Deutschland. Ich glaube nicht, dass es irgend eine Industrie weltweit gibt, die Robotik und Biotechnologie eingeschlossen, die von derart märchenhaften Wachstumszahlen ausgehen kann, und ich weiß auch nicht, ob der Bericht recht hat und ob die Information stimmt; mir erscheint er nach wie vor sehr traumtänzerisch und den ganzen Bericht habe ich nicht lesen können, weil er 2.500 USD kostet. Aber die Faktizität ist in postfaktischen Zeiten egal. Wichtig ist, was wichtige Akteure glauben, dass faktisch stimmt. Und dass manche „stakeholder“, also Interessensgruppen, solche Informationen nicht gerne hören und dann über Verdrängungsoperationen nachdenken, das kann man leicht nachvollziehen und dazu gehört nicht einmal ein ausgesprochen verschwörungstheoretisches Naturell. Ich denke, es genügt, wenn man systemtheoretische Überlegungen heranzieht: Die Homöopathie passt nicht ins herrschende Denkmodell und auch nicht ins herrschende Versorgungssystem der vor allem apparativ und molekularbiologisch orientierten Versorgung. Da dieses Modell immer mächtiger wird, ist es kein Wunder, wenn es Unkraut auszumerzen versucht, wie das die hochtechnisierte Landwirtschaft auch macht. Irgendwann, wenn das Unkraut dann ausgemerzt ist, kommt man dann drauf, welch wichtige Rolle es in der Ökologie, der Tier- und Pflanzenwelt gespielt hat und versucht es dann mühsam wieder anzusiedeln, Klatschmohn und Kornblume am Rande der Weizenfelder, wo es schön aussieht, aber nicht stört. Hoffentlich haben wir genügend Verstand und Toleranz, um an dieser Stelle anders mit der Homöopathie umzugehen. Jedenfalls ein großes Vorbild ist der französische HTA-Bericht nicht, und Politiker sollten es sich mindestens dreimal überlegen, ob sie sich der Peinlichkeit hingeben wollen, ihn zu zitieren.

  1. Haute Autorité de Santé. (2019). Commission de la Transparence: Évaluation des médicament homéopathiques soumis à la procédure d’enregistrement prévue à l’articcle L.5121-13 du CSP. Zugriff am 18.12.19 auf https://www.has-sante.fr/upload/docs/application/pdf/2019-06/homeopathie_pic_avis3_cteval415.pdf.
  2. Frass, M., Linkesch, M., Banyai, S., Resch, G., Dielacher, C., Löbl, T., et al. (2005). Adjunctive homeopathic treatment in patients with severe sepsis: a randomized, double-blind placebo-controlled trial in an intensive care unit. Homeopathy, 94, 75-80.
  3. Frei, H., Everts, R., von Ammon, K., Kaufmann, F., Walther, D., Hsu-Schmitz, S.-F., et al. (2005). Homeopathic treatment of children with attention deficit disorder: a randomised, double-blind, placebo controlled crossover trial. European Journal of Pediatrics, 164, 758-767.
  4. Adler, U. C., Paiva, N. M. P., Cesar, A. T., Adler, M. S., Molina, A., Padula, A. E., et al. (2009). Homeopathic individualized Q-potencies versus fluoxetine for moderate to severe depression: double-blind, randomized non-inferiority trial. eCAM, doi:10.1093/ecam/nep114.
  5. Hahn, R. G. (2013). Homeopathy: Meta-Analyses of pooled clinical data. Forschende Komplementärmedizin, 20, 376-381.
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Wirklichkeit, Fakten, Realität

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Der ursprüngliche australische Homöopathiebericht des National Health and Medicine Research Council (NHMRC) und ein paar Gedanken zu Daten in Zeiten politischer Kämpfe

Harald Walach

Zu Zeiten, in denen sich selbst ansonsten kluge Leute wie der halbe Grünenvorsitzende Robert Habeck zu öffentlichen Aussagen hinreißen lassen, die Homöopathie hätte keine über den Placebo-Effekt hinausgehende Wirkung, ist es nützlich zu überlegen, woher so vielbeschäftigte Leute wie Habeck und viele andere in den Medien die Zeit nehmen, um sich so gründlich zu informieren, dass sie solche Sätze ungeschützt und offenbar ohne jede Zweifel formulieren können. Meistens stößt man dann ziemlich rasch auf den sog. „Australischen Homöopathiebericht“ oder, ausführlicher, den Bericht des Australian National Health and Medical Research Council (NHMRC). Das ist ein sog. Health Technology Report, also ein pragmatischer Bericht darüber, inwiefern eine Intervention, in dem Fall die Homöopathie, der Sache nach gut genug wirkt und politisch und ökonomisch vertretbar ist. Solche Berichte mischen in der Regel wissenschaftliche mit pragmatisch-politischen Erwägungen, weil es am Ende darum geht, eine Intervention im Rahmen eines öffentlichen Gesundheitssystems anzubieten.

Dieser NHMRC-Bericht zur Homöopathie kam zum Schluss, Homöopathie hätte keinen wesentlich über den Placebo-Effekt hinausgehende Wirkung und solle daher nicht im Rahmen des öffentlichen Gesundheitssystems Australiens angeboten werden. Dazu muss man zwei Dinge wissen:

  1. Der Bericht stützt sich nicht auf Originalliteratur, also auf die originalen klinischen Studien, die eigentlich allein eine Basis für solche Schlussfolgerungen abgeben. Er geht vielmehr nur auf die Ebene der sekundären Analysen, also systematische Reviews und Meta-Analysen, deren Prämissen und Schlussfolgerungen er übernimmt.
  2. Der offiziell publizierte Bericht ist bereits der zweite seiner Art. Der erste verschwand still und heimlich in der Schublade der Medizinbürokraten. Warum?

Hier wird es spannend. Die Tatsache, dass es einen ersten Vorgängerbericht gab, war lange ein gut gehütetes Geheimnis der australischen Behörden, bis über einige Leaks bekannt wurde, dass es einen unter Verschluss gehaltenen Vorgängerbericht gab (https://www.informationen-zur-homoeopathie.de/?p=1037). Australische und später auch englische Homöopathen und Institutionen bemühten sich zunächst auf informellem, dann auf formellen Weg den Zugang zu dem ursprünglichen Bericht zu erhalten. Als das nichts fruchtete klagte das Homeopathic Research Institute (HRI) in London zusammen mit einigen australischen Homöopathen formell auf Freigabe des Berichts im Rahmen des Freedom of Information Acts, also der öffentlichen Verfügbarkeit von behördlichen Informationen. Das war nun erfolgreich und vor einigen Wochen wurde der erste Bericht, grummelnd und mit vielen Wenns und Abers freigegeben.1 Hier kann man ihn nachlesen: https://www.hri-research.org/resources/homeopathy-the-debate/the-australian-report-on-homeopathy/.

Dort tauchen dann erstaunliche Dinge auf: Die Autoren des Berichts, eine unabhängige universitäre Arbeitsgruppe, die ansonsten meines Wissens wenig mit Homöopathie zu tun hat, kommen zu dem Schluss, dass Homöopathie bei folgenden Indikationen einen zwar nicht unbedingt starken, aber immerhin vorhandenen Beweis der Wirksamkeit über Placebo hinaus erbracht hätte:

  • Otitis media
  • Ileus
  • Fibromyalgie
  • Obere Atemwegsinfekte bei Erwachsenen
  • Nebenwirkungen von Krebsbehandlungen, und zwar Stomatitis und Dermatitis, die aufgrund von Bestrahlungen und Chemotherapie auftreten können

Das sind wohlgemerkt nur diejenigen Indikationen, für die ausreichend viele Studien für quantitative oder qualitative Zusammenfassungen nach Indikationsgebieten möglich sind und für die diese Zusammenfassungen positiv ausgefallen sind. Für viele andere Gebiete gibt es gar keine Zusammenfassungen, und für manche fielen diese auch negativ aus.

Warum dieser erste Bericht in der Schublade verschwand und umgehend ein neuer in Auftrag gegeben wurde, wird das Geheimnis der Behörde bleiben. Die offizielle Lesart ist: Der erste Bericht sei nicht ausreichend wissenschaftlich gewesen. Wer auch nur kursorisch den ersten Bericht liest, in dem dann auch die Randbemerkungen des Lektors oder der Lektorin des NHMRCs zu finden sind, der kann sich des Eindrucks nicht erwehren: Da hat irgendjemandem die Schlussfolgerung nicht gefallen und darum mussten ausreichend viele Haare in der Suppe gefunden werden, um sie neu kochen zu lassen.

Es ist übrigens interessant sich die einzelnen Indikationen anzusehen: Es sind allesamt solche, für die konventionell wenig Behandlungsoptionen bestehen. Bei Otitis media, eine hauptsächlich bei Kindern vorkommende Krankheit, werden zwar gerne Antibiotika verordnet. Diese sind aber zum einen meistens nicht indiziert, weil die Erkrankung bei Kindern häufig viralen Ursprungs ist und außerdem auch nicht sonderlich effektiv in der Verhinderung von Komplikationen2,3, führen überdies zu Resistenzbildungen4 und erhöhen die Gefahr späterer chronischer entzündlicher Darmerkrankungen und Diabetes 5,6.

Bei Fibromyalgie sind allenfalls verhaltenstherapeutische Hilfen und vielleicht Achtsamkeitsinterventionen erfolgversprechend, aber keine konventionell-pharmakologischen. Für die anderen Indikationen gibt es keine guten konventionellen Optionen der Behandlung. Warum also will man partout die vorhandene Datenlage, die zeigt, dass die Homöopathie hilfreich sein kann, nicht zur Kenntnis nehmen? Könnte es sein, dass, wie schon des Öfteren beobachtet, weniger die Daten als eine politisch-weltanschauliche Voreingenommenheit den Ausschlag gibt?

Aber einmal ganz abgesehen von diesen Argumenten und Informationen: Ein tertiärer Literaturbericht, und um einen solchen handelt es sich hier, kann nur so gut sein, wie die sekundäre Literatur, die in ihn einfließt. Manche dieser sekundären Reviews sind ganz ordentlich, setzen aber manchmal Einschluss Kriterien, die die in Frage kommende Originalliteratur einengen, und verkürzen so das Bild, ganz abgesehen davon, dass einige Akteure in dem Feld gerne mal schlampig arbeiten, was man erst bei genauerem Hinsehen bemerkt7.

Ich finde, ein nationaler HTA-Bericht, der bindende Wirkung haben soll, sollte sich zumindest die Mühe machen, die Originalliteratur zu sichten. Ginge nicht, sagten die Auftraggeber ursprünglich, weil zu viel Literatur da wäre und das zu lange dauern würde. Interessant, oder? Auf der einen Seite hört man immer, es gäbe keine Information und keine Studien zur Homöopathie, auf der anderen Seite begründet eine offizielle, staatliche Beratungsbehörde es wäre zu viel Originalliteratur, als dass man sich in sie vertiefen könne. Ein anderer HTA-Bericht zur Homöopathie, der die Originalliteratur gesichtet hat, kommt zu genau gegenteiligen Schlüssen8: Homöopathie sei effektiv und solle Teil des Gesundheitssystems sein.

Ich habe bereits in meinem letzten Blogbeitrag darauf hingewiesen: Weder beim NHMRC-Bericht noch in der momentanen Debatte geht es um Daten. Wenn es nur um Daten ginge, blieben lediglich zwei Optionen: Entweder, man verwendet die gängigen Kriterien, die für alle medizinischen Interventionen gelten. Dann müsste man die Homöopathie zähneknirschend als wirksam anerkennen. Oder man verwendet die durchaus harten und oftmals überaus scharfen Kriterien, die die Cochrane Collaboration anwendet. Dann würde man vermutlich dem zweiten NHMRC-Bericht folgen und argumentieren, es gäbe zwar Studien zur Homöopathie, aber die sind noch nicht groß genug, gut genug, repräsentativ genug. Dann müsste man aber auch vermutlich 80% dessen, was in der konventionellen Praxis geschieht aus der öffentlichen Versorgung, genauer aus der Erstattung ausschließen. Denn maximal 20% – bei wohlwollender Lesart – dessen, was derzeit in der Medizin geschieht ist wirklich so gut untersucht und zweifellos wirksam, dass man dazu keine Forschung mehr braucht9. Wollen wir das? Wäre das vernünftig?

Nein, wäre es nicht. Warum nicht? Ganz einfach. Weil wir noch viele andere Erkenntnisquellen außer randomisierten Studien haben, und weil solche Studien nur einen bestimmten Ausschnitt der Wirklichkeit in den Blick nehmen. Auch andere Daten – Kohortenstudien, Einzelfälle, Erfahrungen, nicht-randomisierte Vergleiche, historische Vergleich – spielen bei unseren Bewertungen eine wichtige, wenn auch schwer formalisierbare Rolle, wie wir des Öfteren gezeigt haben10,11. Und mit einer komplexeren, nämlich Bayes’schen Analyse könnte man das formalisieren, wie wir an einem konkreten Beispiel, der ketogenen Diät, ebenfalls belegt haben12.

Die Polemik gegen die Homöopathie ist politischer Korrektheit geschuldet. Eine Minderheit von lauten Stimmen, die Definitionshoheit für sich beanspruchen, hat die politische Parole ausgegeben: Weg mit der Homöopathie, sie passt uns nicht in den Kram. Und pflichtschuldigst stimmen alle, die dazu gehören und modern sein wollen, in diesen Hymnus ein. Sachlich, das haben wir gesehen, ist das in keiner Weise gerechtfertigt. Aber es ist politisch opportun. Woraus man lernt: Das politisch Opportune und das sachlich Richtige sind zwei sehr verschiedene Paar Stiefel, so wie Realität und Wirklichkeit.

Referenzen

  1. National Health and Medical Research Council, International Center for Allied Health Evidence. The Effectiveness of Homeopathy: An Overview Review of Secondary Evidence – An Annotated Draft Report. Canberra, AU: National Health and Medical Research Council, 2019, orif. 2012.
  2. Szőke H, Maródi M, Sallay Z, Székely B, Sterner MG, Hegyi G. Integrative versus Conventional Therapy of Chronic Otitis Media with Effusion and Adenoid Hypertrophy in Children: A Prospective Observational Study. Complementary Medicine Research 2016; 23(4): 231-9.
  3. Grelotti DJ, Kaptchuk TJ. Placebo by proxy: Clinicians‘ and family members‘ feelings  and perceptions about a treatment may influence their judgments about its effectiveness. British Medical Journal 2011; 343: d4345.
  4. Costelloe C, Metcalfe C, Lovering A, Mant D, Hay AD. Effect of antibiotic prescribing in primary care on antimicrobial resistance in individual patients: systematic review and meta-analysis. BMJ 2010; 340: c2096
  5. Livanos AE, Greiner TU, Vangay P, et al. Antibiotic-mediated gut microbiome perturbation accelerates development of type 1 diabetes in mice. Nature Microbiology 2016; 1: 16140.
  6. Hviid A, Svanström H, Frisch M. Antibiotic use and inflammatory bowel disease in childhood. Gut 2011; 60: 49-54.
  7. Vickers AJ. Reducing systematic reviews to a cut and paste. Forschende Komplementärmedizin 2010; 17: 303-5.
  8. Bornhöft G, Matthiessen PF, editors. Homeopathy in Healthcare: Effectiveness, Appropriateness, Safety, Costs. Heidelberg: Springer; 2012.
  9. El Dib RP, Atallah AN, Andriolo RB. Mapping the Cochrane evidence for decision making in health care. Journal of Evaluation in Clinical Practice 2007; 13: 689-92.
  10. Walach H, Falkenberg T, Fonnebo V, Lewith G, Jonas W. Circular instead of hierarchical – Methodological principles for the evaluation of complex interventions. BMC Medical Research Methodology 2006; 6(29).
  11. Walach H, Loef M. Using a matrix-analytical approach to synthesizing evidence solved incompatibility problem in the hierarchy of evidence. Journal of Clinical Epidemiology 2015; 68: 1251-60.
  12. Klement RJ, Bandyopadhyay PS, Champ CE, Walach H. Application of Bayesian evidence synthesis to modelling the effect of ketogenic therapy on survival of high grade glioma patients. Theoretical Biology and Medical Modelling 2018; 15(12).
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Homöopathie und Depression

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Homöopathische Arzneien wirken mindestens so gut wie Antidepressiva und besser als Placebo

Harald Walach

Vorbemerkung und Einführung:

Pharmakologische Antidepressiva – das vorläufige Ergebnis eines Trauerspiels

Peter Gøtzsche, der ehemalige Leiter des Nordischen Cochrane Centers in Kopenhagen und auf Rang  1.849 der 100.000 meistzitierten wissenschaftlichen Autoren, hat die Psychiatrie mit seiner Brandschrift unter Druck gebracht1. Darin hat er argumentiert, die Psychiatrie insgesamt und die von ihr verwendeten Antidepressiva seien wissenschaftlich zweifelhaft, weil ihre positiven Wirkungen die potenziell schädlichen Wirkungen kaum aufwiegen würden, weil viel zu viel davon verordnet werden würden und weil die Studien, auf denen ihre Verordnung basiert, methodisch unsauber seien. Dafür hat er vor Kurzem die Quittung erhalten und ist von seiner Rolle innerhalb der Cochrane Collaboration entbunden worden und hat sogar seine Stelle verloren2. Dieses Beispiel zeigt: in diesem Gebiet sind die kommerziellen Interessen sehr mächtig und es ist nicht ungefährlich, die Mainstream-Meinung herauszufordern.

Das mache ich jetzt trotzdem, weil ich es ärgerlich finde, dass sich die Anti-Homöopathie-Lobby nun eines Grünenparteitags zu bemächtigen sucht, in krasser Unkenntnis der Datenlage. Ich nehme die Depressionstherapie als Beispiel, ein heiß umstrittenes Gebiet.

Angefangen hat der Disput um die Wirksamkeit der Antidepressiva schon in den 90er Jahren, eigentlich schon früher. Es sei daran erinnert: Das erste weit verbreitete Antidepressivum, Fluoxetin, mit dem Handelsnamen Prozac, ist nie als Antidepressivum entwickelt worden, sondern hatte wechselnde Schicksale als Appetitzügler, Schmerzmittel etc., bis es durch eine Bestechungsaktion eines mittlerweile abgesprungenen Pharmamanagers in Schweden auf den Markt kam und so durch die Hintertür auf den amerikanischen und dadurch auf den Weltmarkt3. Irving Kirsch wies als erster darauf hin, dass Antidepressiva nur wenig wirksamer seien als Placebo4. Die Analyse aller, auch der unpublizierten Studien zu den modernen Antidepressiva, den sog. selektiven Serotonin-Reuptake Inhibitoren (SSRIs), zeigte: Ihre Effektgröße ist vergleichsweise klein gegenüber Placebo, nämlich etwa eine Drittel Standardabweichung5 und damit eigentlich niedriger als die halbe Standardabweichung die NICE, die englische Agentur, die für die Bewertung von Gesundheitsmaßnahmen zuständig ist, fordert6. Eine neue Netzwerk-Metaanalyse, ein massives Unterfangen, das alle verfügbaren Studien miteinander in Beziehung setzt, hat nun versucht ein abschließendes Wort zu sprechen7, findet eine generelle Wirksamkeit gegenüber Placebo und immer noch die bescheidene Effektgröße von weniger als einem Drittel Standardabweichung (d = 0.3). Prompt wurde dieser Publikation durch eine Re-Analyse aus der ehemaligen Arbeitsgruppe von Gøtzsche  widersprochen, die der Studie handwerkliche Fehler und schlampige Analyse nachweist.8 Die Effekte sind kleiner, bei den unpublzierten Studien sogar winzig, die Verzerrungsmöglichkeit ist groß und die Verlässlichkeit der Befunde geringer als man denkt. Die größte je durchgeführte Studie zu Antidepressiva in der unkontrollierten Praxis, die STAR*D-Studie, zeigt nur geringe Effekte9 und eine Re-Analyse kommt zu dem Schluss, dass auch diese geringen Effekte nur dadurch zustande kommen, dass die Autoren sich nicht an ihr eigenes Protokoll gehalten und ihre Daten aufgehübscht haben10.

Ich referiere diese Geschichte absichtlich etwas ausführlicher um zu signalisieren: selbst in einem anscheinend so klaren Gebiet wie der pharmakologischen Antidepressionstherapie ist die Datenlage sehr verworren, trotz Milliarden von Forschungs- und Entwicklungsgeldern, trotz einem scheinbaren Konsens in der wissenschaftlichen Gemeinschaft und der Gesundheitspolitik.

Nun wurden ausgerechnet in diesem Gebiet zwei interessante Homöopathiestudien publiziert: eine Studie von Macias-Cortés und Kollegen aus Mexiko11 und 6 Jahre davor eine Studie von Adler und Kollegen aus Brasilien12.

Homöopathische Therapie der Depression: 2 Beispiele

Macias-Cortés et al. (2015) Individualized Homeopathic Treatment and Fluoxetine for Moderate to Severe Depression in Peri- and Postmenopausal Women11

Die Studie von Macias-Cortés verglich homöopathische individualisierte Therapie, die in den Potenzen C30 oder C200 verabreicht wurde, in einer dreiarmigen Studie mit Fluoxetin (das unter dem Handelsnamen Prozac verbreitet ist) und mit Placebo in einer sog. double-dummy Technik. Das funktioniert so, dass jeder Patient zwei Medikationen erhält, von denen entweder eine oder beide ein Placebo sind, aber jedenfalls beide so aussehen wie das Original. Patienten der Placebo-Gruppe erhalten, verblindet natürlich, zwei Placebos, ein Fluoxetin-Placebo und ein Homöopathie-Placebo. Patienten der Homöopathie-Gruppe erhalten ein homöopathisches Arzneimittel und ein Fluoxetin-Placebo. Patienten der Fluoxetin-Gruppe erhalten ein echtes Fluoxetin und ein Homöopathie-Placebo. Alle Patienten und alle Forscher waren verblindet bezüglich des Inhaltes. Eingeschlossen wurden Frauen mit Depression in der Menopause. Alle 133 Patientinnen erhielten zunächst eine homöopathische Erstanamnese, woraufhin ein homöopathisches Arzneimittel verordnet wurde, das aber nur jenes Drittel der Patientinnen erhielten (insgesamt 44), die in die Homöopathiegruppe randomisiert, also per Zufall zugeteilt, wurden. Da sie zusätzlich das Fluoxetinplacebo erhielten, wussten sie natürlich nicht, dass sie in der Homöopathie-Gruppe waren. Die homöopathische Arznei wurde übrigens aufgelöst in eine Wasser-Alkohol-Lösung zur täglichen Einnahme aufbereitet und hat damit etwas Ähnlichkeit mit der Einnahme von Q- oder 50.000er-Potenzen, die in der Adler-Studie (siehe unten) zur Anwendung kamen. Dadurch nahmen alle Patienten der Homöopathiegruppe täglich entweder ein homöopathisches Arzneimittel oder ein Placebo zu sich. Das Arzneimittel konnte in der Potenz oder im Inhalt angepasst werden, falls sich Symptome verschlimmerten oder neue zeigten. Wer interessiert daran ist, kann in der Zusatztabelle der Online-Publikation die homöopathischen Arzneimittel nachschauen, die verabreicht wurden.

46 Patientinnen erhielten Fluoxetin plus das Homöopathie-Placebo und 43 Patientinnen erhielten zwei Placebos.

Die Studie war offenkundig gut geplant und ausgewertet: Alle Patientinnen, die in die Studie eingeschlossen waren, waren auch in der Auswertung. Das ist das sog. „intention-to-treat“ Prinzip. Dabei wird der robuste Effekt einer Intervention untersucht, weil die Patienten, die herausfallen, normalerweise mit ihren letzten Wert oder dessen Extrapolation in die Auswertung eingehen, was die Analyse konservativ macht. Als Hauptzielkriterium war definiert worden: die Verbesserung auf der Hamilton-Depression-Rating Skala. Das ist eine Fremdeinschätzung, bei der ein Psychiater oder Psychologe Symptome nach einem Interview einstuft. Die einstufende Person muss natürlich verblindet sein, was sie hier war. Oft wird dem Verfahren mangelnde Glaubwürdigkeit attestiert, weil manchmal die Gruppenzugehörigkeit aufgrund von Nebenwirkungen erraten werden kann. Das war in dieser Studie sicher nicht der Fall. Denn die Nebenwirkungen waren auf alle drei Gruppen gleich verteilt und manche „typische“ Nebenwirkungen waren sogar in der Placebo-Gruppe etwas häufiger, wie etwa Verstopfung, Magenprobleme und Erschöpfung. Damit kann also das Hauptzielkriterium als gültig gemessen gelten. Es gab zwei Nebenzielkriterien: die selbstberichtete Verbesserung auf der Beck Depression Skala und die Veränderung der Greene Klimakteriumsbeschwerden-Skala.

Gemessen wurde nach 4 und nach 6 Wochen. Im Hauptzielkriterium war die Homöopathiegruppe signifikant besser als Fluoxetin und besser als Placebo. Der Unterschied der Homöopathiegruppe zu Fluoxetin ist mit einer Effektgröße von d = 0.58 relativ groß und damit auch größer als der durchschnittliche Unterschied von Fluoxetin zu Placebo in den Meta-Analysen. Der Unterschied der Homöopathiegruppe zu Placebo ist ebenfalls signifikant und mit einer Effektgröße von d = 1.5 fast dreimal so groß wie der Unterschied zu Fluoxetin. In dieser Studie ist übrigens auch Fluoxetin mit einer Effektgröße von d = 0.89 Placebo signifikant überlegen. Das Nebenzielkriterium BDI zeigte zwar die gleiche Tendenz, aber die Unterschiede sind klein (d = 0.3 Homöopathie gegenüber Fluoxetin) und nicht signifikant. Der Unterschied in der Greene-Klimakteriumsbeschwerdenskala ist hingegen wieder signifikant, und zwar sowohl Homöopathie gegenüber Fluoxetin als auch gegen Placebo. Eine mehr als 50%ige Besserung in der Hamilton Rating Skala und damit ein deutlicher therapeutischer Effekt zeigte sich bei 54% der Patienten in der Homöopathie-Gruppe, bei 41% in der Fluoxetin-Gruppe und bei knapp 12% in der Placebo-Gruppe, was ebenfalls einen signifikanten Unterschied darstellt. In den Remissionsraten, also der vollständigen Besserung der Depression (definiert als weniger als 7 Punkte auf der 17-Punkte Skala) unterscheiden sich die beiden aktiven Gruppen kaum: 15,9% unter Homöopathie, 15,2% unter Fluoxetin, aber von Placebo, das eine Remissionsrate von 4,7% aufweist.

Die Studie ist in mehrerlei Hinsicht bemerkenswert:

  1. Sie ist dreiarmig und zeigt einen klaren Effekt.
  2. Sie zeigt, dass individualisierte Homöopathie besser ist als Placebo und Fluoxetin.
  3. Sie hat klinisch relevante Effektstärken dokumentiert und zwar bei Patientinnen mit mittelschwerer bis schwerer Depression in der Menopause.
  4. Und das alles, obwohl sie methodisch, soweit ich sehen kann, auf hohem Niveau geplant und durchgeführt wurde und verblindet war.

Die Einschränkungen sollten nicht übersehen werden:

  1. Die Studie war mit 6 Wochen relativ kurz. Das hat den technischen Vorteil, dass sich eine natürliche Erholung in diesem kurzen Zeitraum nicht so leicht finden lässt, wodurch der klinisch-statistische Unterschied deutlicher wird.
  2. Die Studie hat mit Frauen, die im Klimakterium depressiv waren eine spezielle Patientinnengruppe untersucht.
  3. Sie ist trotz der guten Vergleichbarkeit in den Ausgangsparametern relativ klein und monozentrisch.

Dennoch scheint mir dieser Studie im Vergleich mit anderen Antidepressiva-Studien relativ gut zu sein und zeigt einen klaren Effekt individualisierter Homöopathie mit hohen Potenzen (C30 und C200), die in verdünnter Form täglich eingenommen wurden. Das ist ein Befunde, der nicht einfach ignoriert werden kann, solange nicht nachgewiesen wird, dass er durch Betrug oder Selbsttäuschung zustande kam, und das scheint nicht der Fall zu sein.

Adler et al (2009) Homeopathic individualized Q-potencies versus fluoxetine for moderate to severe depression: double-blind, randomized non-inferiority trial12

Die Studie von Adler und Kollegen aus Brasilien ist ein anderes Beispiel. Sie ist eine zwei-armige aktiv-kontrollierte Studie, in der individualisierte Therapie mit Fluoxetin verglichen wurde in einem sog. Non-Inferioritäts-Design. Während die Studie von Macías-Cortés ein Überlegenheitsdesign hatte, also statistisch daraufhin testete, ob Homöopathie besser als Placebo und besser als Fluoxetin ist, waren Adler und Kollegen bescheidener und testeten, ob Homöopathie Fluoxetin nicht unterlegen ist, also ungefähr gleich gut und auf keinen Fall schlechter. Solche aktiv kontrollierten Designs verwendet man häufig dann, wenn es bereits gut eingeführte Standards gibt – wie etwa in der pharmakologischen Depressionsbehandlung – und wenn eine Ethik-Kommission oder die Forscher Patienten nicht unnötigerweise einer Scheinbehandlung durch Placebo aussetzen wollen. Die Planung solcher Designs ist häufig zwei Hintergründen geschuldet: Manchmal fordern es Ethik-Kommissionen ein, manchmal machen Studienplaner das absichtlich, weil es einfacher ist Nicht-Unterlegenheit zu zeigen als Überlegenheit.

In dieser Studie wurden Patienten mit Depression, entweder einfacher oder wiederkehrender Depression, eingeschlossen und erhielten entweder individualisierte homöopathische Therapie mit Q-Potenzen oder Fluoxetin und das jeweils andere Placebo in einer double-dummy Technik, wie oben beschrieben, um die Verblindung aufrecht zu erhalten. Der Erfolg wurde wiederum über eine Rating-Skala durch einen verblindeten Kliniker gemessen, in diesem Falle war es die Montgomery-Asperger Rating Skala. Randomisiert wurden 91 Patienten, 48 in die Homöopathie- und 43 in die Fluoxetin-Gruppe. Beide Gruppen besserten sich deutlich über die 8 Wochen Studiendauer. In die statistische Analyse wurden wiederum alle Patienten eingeschlossen. In der Homöopathiegruppe brachen 19 Patienten die Studie ab, 3 aufgrund von Nebenwirkungen, 5 aufgrund klinischer Verschlimmerung (also kein therapeutischer Effekt), 10 kamen einfach nicht wieder. In der Fluoxetingruppe wurden 8 aufgrund von Verschlimmerungen und einer aufgrund mangelnder klinischer Effekte ausgeschlossen und 8 kamen nicht wieder. Das zeigt: in dieser Studie war offenbar das Monitoring der Patienten weniger sorgfältig und eng, sodass mehr Ausfälle zu verzeichnen sind. Da die Statistik sich aber auf alle Daten stützt und die fehlenden extrapoliert wurden, ist die Analyse zwar robust, weist aber dadurch wohl weniger Sensitivität auf. Die Analyse zeigt: Keine der Gruppen überschreitet die vorher definierte Indifferenzgrenze. Man überlegt bei solchen Designs vorher, was ein minimaler, klinisch relevanter Unterschied ist. Die Nicht-Unterlegenheit ist gezeigt, wenn das Vertrauensintervall des Unterschiedes zwischen den Therapien diesen klinisch-relevanten Unterschied nicht übersteigt. Das tut er nicht, und daher ist in dieser Studie Homöopathie nicht von Fluoxetin zu unterscheiden. Es gibt sogar eine kleine, positive Effektstärke zugunsten von Homöopathie (d = 0.4); aber weil unklar ist, ob die berichteten Daten die Daten aller Patienten sind oder nur die Daten von denen die abgeschlossen haben (was ich vermute), würde ich diesem Unterschied nicht so viel Gewicht beimessen wollen. Bei der statistischen Analyse kann man allerdings Robustheit annehmen, da hier die fehlenden Daten mit den Ausgangswerten interpoliert wurden.

In dieser Studie ist also individualisierte Homöopathie gleich gut wie Fluoxetin, tendenziell etwas besser, aber es war nicht Ziel der Studie, dies zu belegen. Interessant an dieser Studie war die Individualisierung und Behandlung ausschließlich mit Q-Potenzen. Das hat meines Wissens keine andere Studie gemacht. Q-Potenzen sind ja solche, bei denen von der C3 ausgehend alle weiteren Verdünnungsschritte in Schritten 1:50.000 – ungefähr – vorgenommen werden. Von dieser dann als Q1 bezeichneten Potenz wird jeweils weiter potenziert. Von jeder Q-Potenz wird dann wieder ein Kügelchen in Wasser aufgelöst und täglich ein kleiner Schluck genommen. In dieser Studie war das dreimal die Woche der Fall. Man versucht damit einen milden, kontinuierlichen Stimulus zu setzen und Erstverschlimmerungen zu vermeiden. Das scheint einigermaßen funktioniert zu haben. Die Studie war mit 8 Wochen etwas länger als die andere, war ebenfalls doppelt verblindet, allerdings sprechen die größere Zahl von Aussteigern dafür, dass entweder in der Studienlogistik manches nicht so gut funktioniert hat, oder dass überhaupt die Patientenführung nicht optimal war.

Fazit

Zwei Studien zeigen, verblindet und methodisch sauber, dass Homöopathie mindestens gleich gut (Adler), oder sogar besser (Macías-Cortés) als Fluoxetin, ein Standard-SSRI, gegen Depression hilft. Außerdem zeigt eine Studie, dass Homöopathie besser ist als Placebo. Man kann hier natürlich die üblichen Caveats anführen: Das sind erst zwei Studien, in Lateinamerika durchgeführt, die eine ausschließlich bei Frauen in der Menopause, und überhaupt brauchen wir mehr, größere und repräsentativere Studien. Ich weiß gar nicht, ob man sie so viel besser machen kann, als die, die hier vorliegen. Man kann vielleicht für weniger Drop-outs sorgen, länger beobachten, härtere Outcomes verwenden (Komplettremission statt kontinuierlicher Besserung). All das geht und all das sollte man tun. Aber bis diese Forderungen erfüllt sind kann man konstatieren:

Bei Depression ist klassische Homöopathie mindestens genauso gut wie Fluoxetin.

Referenzen:

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  2. Gøtzsche PC. Death of a Whistleblower and Cochrane’s Moral Collapse. Copenhagen: People’s Press; 2019.
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  11. Macías-Cortés EdC, Llanes-González L, Aguilar-Faisal L, Asbun-Bojalil J. Individualized Homeopathic Treatment and Fluoxetine for Moderate to Severe Depression in Peri- and Postmenopausal Women (HOMDEP-MENOP Study): A Randomized, Double-Dummy, Double-Blind, Placebo-Controlled Trial. PLOS ONE 2015; 10(3): e0118440.
  12. Adler UC, Paiva NMP, Cesar AT, et al. Homeopathic individualized Q-potencies versus fluoxetine for moderate to severe depression: double-blind, randomized non-inferiority trial. eCAM 2009; doi:10.1093/ecam/nep114.
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Wirksamkeit und Wirtschaftlichkeit der Homöopathie – Teil 3

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Harald Walach

Wir haben in den beiden ersten Teilen dieser Serie die rechtliche Situation der Zulassung und Prüfung von Homöopathika im deutschen Arzneimittelrecht, sowie die Frage der Wirksamkeit untersucht. Nun widmen wir uns der Frage der

Wirtschaftlichkeit der Homöopathie

Diese Frage hat zum ersten Mal ausführlicher das Schweizerische Programm zur Evaluation der Komplementärmedizin, ein staatlich initiiertes Evaluationsprogramm unter die Lupe genommen, in dessen Review Board ich damals war. 1,2 Die Schweizer haben u.a. als Resultat dieses Evaluationsprogrammes das Recht auf komplementärmedizinische Behandlung als einzige Nation der Welt, soweit ich weiß, in ihre Verfassung aufgenommen. Einer der leitenden Beamten des Bundesamtes für Gesundheit, der für dieses Programm zuständig war, hatte mir damals in einer email geschrieben: „Die Frage ob Komplementärmedizin wissenschaftlich begründet und wirtschaftlich ist, ist keine wissenschaftliche Frage, sondern eine politische.“ Das war wenigstens ehrlich und hat die Sache auf den Punkt gebracht. Trotz seinen heftigen Bemühungen die Komplementärmedizin insgesamt zu desavouieren war das Ergebnis damals weitgehend positiv und die Kosten vieler komplementärmedizinischer Behandlungen, u.a. der Homöopathie, werden seither von den Versicherungen der Schweiz übernommen. Der Health Technology Assessment Report, also die globale Einschätzung von Wirksamkeit und Brauchbarkeit für das Gesundheitssystem, fiel damals positiv aus 3.

Seither sind einige Studien zum Thema erschienen, speziell zur Wirtschaftlichkeit der Homöopathie. Diese besprechen wir nicht alle einzeln, sondern greifen ein paar interessante Daten heraus. Einen Überblick gibt eine systematische Review-Arbeit von Petter Viksveen und Kollegen aus Norwegen 4.

Überblick

Diese Autoren suchten systematisch die Literatur ab und fanden insgesamt 14 Studien, die homöopathische Interventionen auf Wirtschaftlichkeit hin untersuchten. 8 von diesen Studien fanden, dass die homöopathisch behandelten Patienten besseren Gesundheitszustand aufwiesen und dass diese Behandlungen billiger waren. Bei vier Studien zeigte sich, dass die Verbesserungen in der Homöopathiegruppe mindestens so gut wie in der konventionell behandelten Gruppe war und die Kosten vergleichbar. Und zwei Studien fanden, dass die Kosten für die homöopathische Behandlung größer waren, aber die Ergebnisse mindestens gleich gut.

Bevor wir uns zwei Studien genauer ansehen, eine davon im Review von Viksveen enthalten, die andere nicht, noch ein paar Gedanken zum Kostenbegriff in dieser Frage:

Kostentypen

Kosten entstehen ja grundsätzlich auf mindestens vierfache Art und Weise:

  1. Zum einen muss irgendwer den ärztlichen Zeitaufwand bezahlen. Der ist bei Ärzten, die in der kassenärztlichen Praxis arbeiten in Deutschland durch die Pauschale abgedeckt, und homöopathische Vertragsärzte erhalten im Rahmen entsprechender Verträge mit Krankenkassen oft noch ein Zusatzhonorar z.B. für ausführlichere Exploration oder Gespräche; dieses deckt meistens bei klassisch homöopathisch arbeitenden Ärzten den Aufwand nicht. Aus diesem Grund sind viele homöopathische Ärzte in Deutschland privat tätig. In diesem Falle bezahlen die Patienten die Ärzte selber; allenfalls Privatversicherungen oder Zusatzversicherungen übernehmen die Kosten. Diese Kosten tauchen nicht in den Evaluationen auf, auch weil die Länder ganz unterschiedliche Abrechnungsmodi haben.
  2. Dann kommen die Kosten für Arzneimittel hinzu. Diese sind relativ niedrig, da klassisch homöopathische Ärzte tendenziell mit Hochpotenzen arbeiten, die man selten einnimmt und daher auch keine hohen Kosten verursachen. Auch wenn man eher teurere Komplexhomöopathika nimmt, sind die Kosten überschaubar. In Deutschland werden sie für Kinder von der Kasse übernommen, wenn die Verordnung von einem Kassenarzt kommt. Homöopathie hat hier einen Vorteil und damit ein Einsparpotenzial gegenüber konventionellen Pharmaka, die tendenziell eher teurer sind und gerade bei chronischen Problemen tendenziell eher länger eingenommen werden.
  3. Kosten für Krankenhausaufenthalte, entweder weil eine ambulante Behandlung nicht ausreicht, oder weil dabei komplexere Probleme entdeckt werden, oder weil die Krankheit aufgrund einer schlechten ambulanten Behandlung zu einem stationären Aufenthalt führt, sind nicht immer erfasst und wären eine eigene wichtige Kategorie. Bei uns in Deutschland kommen noch Reha-Aufenthalte hinzu, die von einem anderen Kostenträger bezahlt werden und daher normalerweise in Kostenevaluationen nicht enthalten sind.
  4. Weitere und indirekte Kosten durch Krankschreibungen, Arbeitsausfall und sozioökonomische Folgekosten sind nur selten gut berechenbar und nicht immer in den ökonomischen Evaluationen enthalten.

Meines Wissens überhaupt nicht untersucht sind die potenziellen präventiven Effekte. Wie wir sehen werden, nehmen homöopathisch behandelte Patienten in der Regel weniger konventionelle Arzneimittel ein. Da diese aufgrund ihres Nebenwirkungspotenzial nicht selten zu weiteren Erkrankungen führen, die man meistens nicht mit der Einnahme von Medikamenten in Verbindung bringt, sondern als Neuerkrankungen einstuft, die wieder durch neue Interventionen behandelt werden, fällt dieser Aspekt bei der ganzen Betrachtung ganz unter den Tisch.

Versicherte einer holländischen Versicherung verursachen unter komplementärmedizinischer Behandlung 10% weniger Kosten bei vergleichbarem klinischen Ergebnis

Eine große Untersuchung von Baars und Kooreman aus Holland hatte die Möglichkeit, alle Kostendaten einer Krankenversicherung zu untersuchen. 5 Mehr als 1,5 Millionen Versicherte oder 98,8% waren bei konventionellen Ärzten und die restlichen 1,2% oder 18.862 Patienten bei komplementärmedizinisch tätigen Ärzten in Behandlung. Dies waren vor allem anthroposophische Ärzte, homöopathische und solche mit Akupunkturausbildung. Ärzte mit unklarer Zuordnung und ihre Patienten wurden in dieser Analyse nicht berücksichtigt. Die Autoren verglichen die Kosten und hatten ein hartes Kriterium zu den klinischen Ergebnissen: Mortalität. Denn man könnte ja argumentieren: Natürlich haben wir weniger Kosten, wenn die Ärzte schlecht behandeln, notwendige Maßnahmen unterlassen und damit ihre Patienten einer schlechteren Versorgung aussetzen. Das würde sich dann in unterschiedlichen Sterblichkeitsziffern zeigen. Genau das ist nicht der Fall. Die Mortalitätsraten sind bei beiden Ärztegruppen gleich. Aber die Kosten sind bei den komplementärmedizinisch tätigen Ärzten geringer, nämlich um 192 € pro Patient oder um 10%. Dies ist vor allem auf niedrigere Kosten am Ende des Lebens zurückzuführen, dort wo nämlich die meisten Kosten entstehen. Das Einsparpotenzial auf Holland hochgerechnet: 3.78 Milliarden Euro würden die Holländer sparen, wenn alle Holländer komplementärmedizinisch behandelt würden. Das bezieht sich auf 16.8 Millionen Einwohner. Fiktive Hochrechnung für Deutschland mit ca. 80 Millionen Einwohner: etwa 18 Milliarden Euro Einsparpotenzial.

Wir wissen leider nichts über den generellen Gesundheitszustand dieser Patienten, weil als einziger klinischer Parameter die Mortalität erhoben wurde. Die Studie ist deswegen interessant, weil sie einen Zeitraum von 6 Jahren überblickt und die gesamte Population einer holländischen Versicherung. Allerdings kann man aus diesen Daten die Effekte für die Homöopathie nicht herausholen, da sie mit denen der gesamten komplementärmedizinischen Gruppe zusammen verarbeitet wurde. Dieses Problem hat die französische EPI3 Kohorte gelöst 6,7.

Die EPI – 3 Kohortenstudie: Muskuloskeletale Probleme

In Frankreich gibt es traditionell viele homöopathische Ärzte, die im Rahmen der staatlichen Krankenversicherung arbeiten.

Die EPI-3-Kohortenstudie erfasst eine repräsentative Gruppe französischer Ärzte im staatlichen Versorgungssystem. Solche die rein konventionell praktizierten, solche die rein homöopathisch praktizierten und solche mit verschiedenen anderen Methoden der Komplementärmedizin oder mit einer Mischung. Insgesamt wurde eine repräsentative Stichprobe von  825 Ärzten eingeschlossen. Das ist wichtig, denn durch die repräsentative Stichprobenziehung und zufällige Patientenziehung bei den Ärzten wurde eine hohe Aussagekraft für die reale Versorgung erreicht. Für unterschiedliche Krankheitsdiagnosen wurden zufällig Ziehungstage festgelegt und an diesen Tagen befragte ein ausgebildeter Mitarbeiter in den entsprechenden Arztpraxen bis zu 15 Patienten im Wartezimmer, die in die entsprechende Diagnosekategorie fielen. Dokumentiert wurden in der EPI-3 Kohorte insgesamt 100 Diagnosen bei 8559 Patienten, zunächst in einer Basiserhebung und dann nach 3, 6 und 12 Monaten in einem Telefoninterview nochmals. Als klinisches Erfolgsmaß wurde die Kurzform eines allgemeinen Funktions- oder Lebensqualitätsfragebogen, der SF12 verwendet, und noch ein spezialisierter Funktionsfragebogen. Die Fragebögen wurden anfangs von den Patienten selbst ausgefüllt und nach einem Jahr in einem Telefoninterview erhoben. Die Ärzte dokumentierten die Diagnosen. Der Medikamentenverbrauch wurde über ein sog. unterstütztes Erinnerungsinterview erhoben, bei dem Patienten nach den Namen entsprechender Arzneimittel anhand von bekannten Beispielen gefragt werden, und der Verbrauch wird dokumentiert.

In dieser Publikation wurde die in Frankreich am häufigsten in der Allgemeinpraxis behandelte Diagnose, Muskuloskeletale Probleme, untersucht 6,7. Darunter sind alle nicht direkt auf eine akute oder andere Erkrankung zurückzuführenden Schmerzprobleme des Muskel- und Skelettsystems zu verstehen, typischerweise also etwa Rückenschmerzen, Nacken- und Schulterschmerzen, Gelenkprobleme aufgrund von rheumatischen Problemen usw.  erfasst. Akut entzündliche Probleme, solche aufgrund von Infektionen oder Krebserkrankungen waren ausgeschlossen. Dies ist also eine große, heterogene Gruppe von Krankheiten, deren gemeinsamer Nenner Schmerzen, meistens chronische, sind.

Insgesamt 371 Patienten mit solchen muskulo-skeletalen Problemen wurden homöopathisch und 272 rein konventionell behandelt; die größte Gruppe machen die Patienten mit einer gemischten Behandlungsform aus, nämlich 510.

Die Patienten der homöopathisch arbeitenden Ärzte waren in der Regel gut mit den anderen vergleichbar, waren allerdings häufiger Frauen, besser gebildet, hatten weniger Übergewicht, aber eher chronische Probleme. Was wir aus anderen Studien wissen, bestätigt sich also hier: Homöopathie wird eher von Gebildeten, mehr von Frauen und vor allem von Patienten gesucht, die schon länger an Problemen leiden und anderswo oft erfolglos behandelt wurden 8,9. Die Ausgangssituation der Patienten war in allen Gruppen etwa gleich, allerdings hatten die Homöopathie-Patienten tendenziell bessere Ausgangswerte.

Diese Unterschiede kontrollierten die Forscher über einen sog. „Propensity Score“. 10 Das ist eine statistische Methode, mit der in naturalistischen, nicht-randomisierten Studien die Unterschiede, die sich aufgrund der natürlichen Auswahl ergeben, statistisch kontrolliert werden können. Denn Menschen, die sich für homöopathische Therapie entscheiden sind vermutlich in vielen Eigenschaften, auch solchen, die nicht erfasst wurden, anders als solche, die sich für konventionelle Therapie entscheiden. Solche Unterschiede versucht man normalerweise durch den Kunstgriff der Zufallszuteilung zu vermeiden und meistens funktioniert das auch gut. Wenn aber Menschen nicht per Zufall aufgeteilt werden können, weil es sich eben um natürliche Merkmale handelt – Lebensstilentscheidungen etwa oder eben Arztwahl – ,dann muss man sich anders behelfen. Bei der Propensity Score Analyse wird aus den bekannten Merkmalen mit Hilfe einer statistischen Vorhersagemethode, einer sog. Regression, errechnet, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass jemand aufgrund der bekannten Merkmale in einer der beiden Gruppen ist. Damit kann man dann einen Wert bilden, mit dem man entweder die Auswertung gewichten kann oder eine Paarung von ähnlichen Patienten in den beiden Gruppen aufgrund ihrer Rangfolge vornehmen kann. Damit kann man dann statistisch weiterrechnen. Hier wurde dann ein lineares Modell angewendet, mit dem die Unterschiedlichkeit der Veränderung erfasst wurde. Statistisch ist das also eine Studie, deren Auswertung auf der Höhe der Kunst liegt.

Es zeigt sich: Insgesamt ist die Besserung in allen Gruppen ungefähr gleich. Die Besserung der Patienten, die bei Einschluss nicht an chronischen Problemen leiden ist in der Homöopathiegruppe leicht geringer. Die Besserung der chronischen Patienten eher etwas größer, aber die Unterschiede sind nicht signifikant.

Was aber sehr deutlich ist: Die Patienten der Homöopathiegruppe verbrauchen nach einem Jahr fast um die Hälfte weniger nichtsteroidale antiinflammatorische Substanzen, sog. NSAIDs. Das sind klassische Entzündungshemmer, die am häufigsten verschriebene Kategorie von Medikamenten – aber auch die Einzelkategorie von Medikamenten, auf deren Konto die häufigsten Todesfälle gehen, die durch Medikamente verursacht wurden 11-15. Die Odds Ratio für die Einsparung gegenüber konventioneller Therapie beträgt nach einem Jahr 0.56, also 44% weniger bei den chronischen Patienten und 0.58, also 42% bei denen, die anfangs mit einem akuten Problem kamen. In der gemischten Gruppe lagen die Werte dazwischen.

Die Autoren der EPI3-Studie folgern: der Behandlungserfolg ist gleich, aber der Verbrauch an NSAIDs ist bei den homöopathisch behandelten Patienten um mehr als 40% reduziert. Nachdem der Funktionsstatus der Patienten am Ende der Behandlung vergleichbar ist, und in diesen gehen auch die Beschreibung der Schmerzen ein, kann das eigentlich nur bedeuten, dass die Behandlung der homöopathischen Ärzte in etwa den gleichen Effekt hat wie die konventionelle Behandlung durch Schmerzmittel. Bei Patienten, bei denen die Homöopathie nicht gut funktioniert, ist anzunehmen, dass sie eben weiterhin zu NSAIDs greifen.

Was heißt das nun für die Wirtschaftlichkeit der Homöopathie? Offenkundig lässt sich aus dieser Studie folgern, dass bei gleichem therapeutischen Erfolg etwas mehr als 40% aller NSAIDs bei Patienten mit muskuloskeletalen Schmerzproblemen (und das sind typischerweise die Hauptkonsumenten solcher Medikamente) innerhalb eines Jahres eingespart werden können, ohne dass der klinische Erfolg darunter leidet. Diese Einsparung hat zwei Seiten: sie hilft potenzielle Nebenwirkungen und damit Folgeprobleme zu reduzieren. Und sie führt zu einer direkten Kosteneinsparung. Zwar sind NSAIDs nicht schrecklich teuer, aber bei einer großen Zahl von Patienten mit muskuloskeletalen Schmerzproblemen fiele das dann doch ins Gewicht. Wichtiger scheint mir aber zu sein, dass diese Medikamentenklasse vor allem bei hoher Dosierung und Langzeitanwendung zu den potenziell gefährlichen gehört und damit die Vermeidung von Folgeproblemen im Vordergrund steht. Rechnet man konservativ nur mit den Arzneimittelausgaben der Gesundheitsberichterstattung des Bundes von 2017, die 633 Mio. für antientzündliche Medikamente betragen (beim Gesundheitsbericht auf „Ausgaben“, dann „Arzneimittel“, dann „Arzneimittel nach ATC Gruppen“ oder nach Roter Liste auswählen und sich die entsprechende Tabelle zusammenstellen lassen), dann läge das Einsparpotenzial nur bei Arzneimitteln bei etwa 250 Millionen, die Verhinderung von Nebenwirkungen und Komplikationen und deren Kosten nicht mit eingerechnet.

Man könnte noch ein zweites Beispiel durchdeklinieren: SSRIs, selektive Serotonin-Reuptake Inhibitoren, die sehr häufig an depressive Patienten ausgegeben werden und ein hohes Nebenwirkungspotenzial haben. Eine neuere Re-Analyse einer großen, unlängst publizierten Meta-Analyse 16, stellt diesen Medikamenten ein sehr schlechtes Zeugnis für ihr Wirkungs-Nebenwirkungsprofil aus und weist besagter ursprünglicher Analyse eine Reihe handwerklicher Fehler nach 17, ganz abgesehen davon, dass die Patienten aus den Studien mit denen in der klinischen Praxis kaum vergleichbar sind 18.  Die Wirkung ist, wenn man alle Studien, auch die unpublizierten, zusammenfasst gerade einmal eine Drittel-Standardabweichung und liegt damit erheblich unter der vom englischen Regulator geforderten halben Standardabweichung. Das Nebenwirkungspotenzial ist hoch. Peter Gøtzsche meint sogar, dass sie sehr gefährlich seien, weil sie häufig zu Selbstmord und Aggression führen, die nicht den Medikamenten zugerechnet werden 19.

Zu diesem Thema gibt es zwei positive Nicht-Inferioritätsstudien klassischer Homöopathie gegen Fluoxetin, ein SSRI. Die beiden Studien, die wir noch einmal gesondert besprechen werden, zeigen: Klassische Homöopathie funktioniert bei Depression genauso gut (oder schlecht) wie SSRIs.20,21  Wenn man bedenkt, dass diese Medikamente zu den am häufigsten verwendeten gehören, erkennt man leicht das Einsparpotenzial. Lt. Gesundheitsberichterstattung des Bundes werden knapp 900 Millionen Euro pro Jahr für Antidepressiva ausgegeben (siehe Link oben; allerdings ist dies eine größere Gruppe von Arzneimitteln und SSRIs sind nur eine Teilgruppe dieser Arzneimittel). Mit einer konservativen Schätzung würde der Ersatz der SSRIs durch homöopathische Therapie zu einem Einsparpotenzial von ca. 500 Millionen Euro führen. Das sind natürlich Phantastereien, weil das gegenwärtige System niemals zu solchen Veränderungen führen wird. Aber man erkennt daran die potenziellen Einsparmöglichkeiten. Ob das der Grund für die wachsende Aggressivität der Anti-Homöopathiekampagne sein könnte?

Für deutsche Verhältnisse gibt es keine wirklich repräsentativen Daten zur Wirtschaftlichkeit der Homöopathie. Die Studie, die von der Technikerkrankenkasse in Auftrag gegeben wurde, hat aus unserer Sicht einige gravierende Mängel. Weil dies technisch komplex ist, besprechen wir sie gesondert.

Wir fassen zusammen:

Es gibt insgesamt mindestens 14 Studien, die die Wirtschaftlichkeit der Homöopathie untersuchen. Alle Studien kommt zu einem positiven Ergebnis, wiewohl sicher noch Untersuchungsbedarf herrscht. 8 von diesen Studien attestieren der Homöopathie, dass sie klinisch bessere Ergebnisse wirtschaftlich günstiger erzeugt als konventionelle Versorgung. Vier Studien zeigen, dass die Homöopathie wirtschaftlich günstiger ist bei gleichen Ergebnissen und zwei Studien bescheinigen der Homöopathie höhere Kosten bei gleichem klinischem Ergebnis.

Wir haben zwei Studien genauer untersucht. Eine große holländische Studie, die über 6 Jahre alle Versicherten einer bestimmten Versicherung analysierte, zeigt: komplementäre Therapie, darunter auch die Homöopathie, ist etwa um 10% günstiger als konventionelle Versorgung bei gleichem klinischen Ergebnis. Auf Holland hochgerechnet hieße das ein Einsparpotenzial von 3,8 Milliarden Euro. Auf Deutschland hochgerechnet hätten wir ein Einsparpotenzial von ca. 18 Milliarden Euro. Eine neuere große französische Kohortenstudie belegt: Homöopathie erzeugt das gleiche klinische Ergebnis, führt aber zu erheblichen Einsparungen von mehr als 40% bei nichtsteroidalen Entzündungshemmern oder etwa 250 Millionen. Würde man das Einsparpotenzial der Homöopathie, das sich auch bei Antidepressiva belegen lässt, tatsächlich in die Kostenrechnung mit einpreisen, ein Potenzial von mindestens 500 Millionen, dann führt eigentlich kein Weg an der Schlussfolgerung vorbei: Homöopathie ist etwa gleich gut wie konventionelle Versorgung, aber günstiger. Ganz genau wissen wir es auf deutsche Verhältnisse angewandt noch nicht. Aber vielleicht sollten all die, die das bestreiten, einmal darauf hinwirken, dass die Sache wirklich sorgfältig untersucht wird. Denn so wie die Dinge liegen, liegt die Beweislast bei denen, die das Gegenteil behaupten und die Homöopathie aus der Versorgungslandschaft gestrichen sehen wollen.

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Wirksamkeit und Wirtschaftlichkeit der Homöopathie – Teil 2

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Harald Walach

Wir haben im ersten Teil dieser Serie die rechtliche Situation der Zulassung und Prüfung von Homöopathika im deutschen Arzneimittelrecht untersucht und kommen nun zum zweiten Teil:

Wirksamkeit der Homöopathie

Methodische Vorüberlegungen

Der Gesetzgeber, so sahen wir, geht von der klinischen Wirksamkeit der Homöopathie aus. Deswegen müssen einzelne Phase-3-Studien zur Wirksamkeit für klassisch-homöopathische Arzneimittel, also solche, die als Einzelarzneien verordnet werden, nicht vorgelegt werden. Nur indikationsbezogene Arzneien müssen solche Belege vorlegen und tun dies auch. Wie aber steht es mit der Wirksamkeit der Homöopathie im klassischen Sinne, also der Überlegenheit von Homöopathie gegenüber Placebo oder der vergleichbaren Wirksamkeit gegenüber Standardtherapien?

Bevor wir das diskutieren nochmals eine Erinnerung:

Phase-3-Studien, die die Wirksamkeit einer Substanz gegenüber Placebo oder einer Standardanwendung testen sind immer Studien, die eine Patientengruppe mit einer definierten Diagnose einschließen und dort eine Anwendung testen. Das ist relativ einfach. Alle Patienten erhalten das gleiche Medikament oder die gleiche Anwendung, verglichen mit einem Placebo oder einer Standardbehandlung. Die Zuteilung der Patienten auf die Gruppen erfolgt zufällig und idealerweise sind die Patienten und Behandler verblindet und wissen nicht, wer was erhält.

Dieses Studienmodell wurde nun auch auf die Homöopathie angewandt. Allerdings muss man dabei folgendes bedenken: Wenn man Patienten mit einer Diagnose in eine Studie einschließt, dann wird es selten nur ein Homöopathikum geben, das für alle Patienten indiziert ist. Man hat im Prinzip drei Möglichkeiten:

  1. Man verwendet keine eigentliche, individualisierte Homöopathie, bei der ja nach der besten Passung der Symptome ein Arzneimittel aus einer Fülle von mehr als 1.500 Arzneien auszuwählen wäre. Sondern man nimmt eines der auf dem Markt befindlichen oder zuzulassenden Komplexhomöopathika, bei denen eine Mischung aus möglicherweise in Frage kommenden Arzneien zu einer Arznei mit Indikation verwendet wird. Dann wird z.B. Arnica, Rhus toxicodendron, Ruta und Bellis perennis, meistens in eher niedrigen Potenzen, zu einer Fertigarznei gemischt und bei Patienten mit Zerrungen und Prellungen verwendet. Diese Verwendung kommt der konventionellen Art der Therapie nahe und ist meist für akute Fälle gedacht. Solche Studien gibt es eine ganze Reihe, z.B. 1.
  2. Man definiert eine oder mehrere, häufig bei einer Krankheit in Frage kommender Arzneien und deren Arzneimittelbild und schließt dann nur solche Patienten ein, die dieses Arzneimittelbild haben. Das war etwa bei der Fibromyalgie-Studie von Peter Fisher der Fall2, oder bei der Kopfschmerzstudie von Brigo, die von Whitmarsh wiederholt wurde3,4. Man kommt damit einer klassisch-homöopathischen Anwendung, also einer Individualisierung, relativ nahe, schließt aber zum einen relativ viele in Frage kommende Patienten und Arzneimittel aus und wird bei der Definition der Arzneien möglicherweise Symptome übersehen oder unscharf werden.
  3. Man erlaubt die volle Individualisierung, also so, wie sie in der klassisch-homöopathischen Praxis vorgenommen wird und damit alle Arzneien bei Patienten mit einer bestimmten Diagnose. Aber der Arzt muss verblindet werden und weiß also nicht, ob der Patient nun seine Verordnung erhalten hat oder Placebo. Da solche Studien meistens bei Patienten mit chronischen oder komplexeren Störungen durchgeführt werden, ist eine einzige Verordnung selten ausreichend. Der Arzt muss also entweder seine Verordnung wiederholen, oder das Arzneimittel wechseln, wenn die erste Verordnung nicht passend war. Diese Entscheidung muss er oder sie aufgrund der Berichterstattung des Patienten nach einigen Wochen treffen. Weil er aber nicht weiß, ob der Patient sein Arzneimittel erhalten hat oder Placebo, ist diese Entscheidung alles andere als trivial und bildet auch die normale klinische Realität nicht ab, weswegen sie allen Verordnern ein hohes Maß an Kenntnis und Sicherheit abverlangt und zu eigenen Problemen führt. 5

Natürlicherweise sind Studien des Typs c), also der voll individualisierten Homöopathie selten und wenn sie vorkommen meistens eher kurz. Eine Variante ist ein Studientyp, bei dem zunächst ohne Verblindung bei Patienten die richtige Arznei gesucht wird und dann in einem verblindeten Schema weitergemacht wird.6 Die meisten vorliegenden Studien fallen in die Kategorie a) – bewährte Indikation – oder b) – Definition einiger weniger Arzneien.

Diese Situation hat folgende Konsequenzen: Die klassische, individualisierte Homöopathie, so wie sie in der klinischen Praxis verwendet wird, ist bislang eher wenig, eher schlecht und eher nur in kurzzeitigen Studien untersucht. Sie wurde in Langzeitbeobachtungen untersucht, also in offenen Dokumentations- oder Beobachtungsstudien, und zeigt dort einen klinischen Effekt bei etwa 75% der Patienten.7 Anders ausgedrückt: Wer mit einem chronischen Problem zu einem homöopathischen Arzt geht, der individualisiert behandelt, hat eine relativ hohe Chance, nämlich in 3 von 4 Fällen, eine klinisch relevante Besserung zu erleben. Die Frage ist: Ist dieser klinische Erfolg die Folge der homöopathischen Arzneien, die Folge der therapeutischen Interaktion, die Folge eines gigantischen Placebo-Effektes oder einer Mischung aus diesen. Wahrscheinlich ist es eine Interaktion all dieser Effekte. Für den Patienten (und das Gesundheitssystem) ist es allerdings eigentlich völlig unerheblich, wie der Effekt zustande kommt, solange er zuverlässig, einigermaßen kostengünstig und ohne große Nebenwirkungen und Gefahren zustande kommt.

Insofern ist die Frage, ob homöopathische Arzneien nun von Placebo verschieden sind, eigentlich eine sehr spezielle, akademische, aber natürlich höchst interessante Frage. Wenn wir nun die Studienlage betrachten, muss uns dies klar sein. Denn verblindete klinische Studien untersuchen nur diese Frage, sonst nichts. Und im Fall der Homöopathie haben sie meist eine vereinfachte Form der Homöopathie untersucht, nämlich bewährte Indikationen (a) und verkürzte Individualisierung (b).

Meta-Analysen

Klassischerweise werden Fragen nach der generellen Wirksamkeit („efficacy“) wie gesagt in einzelnen verblindeten, placebo-kontrollierten Studien untersucht oder in Studien, die gegen einen klinischen Standard vergleichen. Da einzelne Studien aber immer auch anfällig für Fehler und zufällige Schwankungen sind, führt man Meta-Analysen durch. In solchen Meta-Analysen werden die Effekte der einzelnen Studien statistisch zusammengefasst, und durch die größere Zahl der Studien und damit natürlich auch der Patienten und Behandlungstypen wird eine robustere Schätzung des Effektes und seiner statistischen Absicherung möglich.

Solche Meta-Analysen gibt es für die Homöopathie eine ganze Reihe. Ich fasse in der Tabelle die wichtigsten zusammen. Das sind solche, die entweder neue und innovative Aspekte eingebracht haben oder aber in der Literatur einflussreich waren. Daneben gibt es eine Reihe von Teil-Analysen, oder Meta-Analysen von Teilbereichen, die ich ausklammere.

Autoren Anzahl Studien/
ausgewertet
Ergebnis
Linde et al. 1997 8 119/89 OR = 2.45/1.78*
Kommentar:Relativ robust; Effekt für methodisch bessere Studien geringer
Cucherat et al. 2000 9 118/17 p < 0.00036
Kommentar:Sehr konservative und technisch unzulängliche Zusammenfassung der Signifikanzen
Shang et al. 2005 10 110/8 Kein Effekt
Kommentar:Wenn man nur 8 Studien berücksichtigt kein Effekt, sonst schon
Lüdtke&Rutten 2008 11 110/21 OR = 0.76*
Kommentar:Re-Analyse der Daten von Shang und Sensitivitätsanalyse. 21 Studien mit der besten Qualität ergeben einen signifikanten Effekt. Wenn man die Studien der Größe nach ordnet (wie Shang), dann findet man ab 14 eingeschlossenen Studien immer einen signifikanten Effekt
Mathie et al. 2014 12 32/22 OR = 1.53 (1.98)*
Kommentar:Nur Studien mit individualisierter Homöopathie
*= signifikantes Ergebnis

Linde et al. 1997

Die erste dieser Analysen war die von Klaus Linde und Kollegen. Sie recherchierte alle damals vorhandenen placebo-kontrollierten Studien und fand immerhin 119, eine Zahl die schon damals sowohl Befürworter als auch Kritiker überraschte. Zusammengefasst ergibt sich eine signifikante Effektstärke mit einer Odds Ratio (OR) von 2.45, die auf 1.78 schrumpft, aber immer noch signifikant ist, wenn man nur die besten Studien nimmt.

Eine Odds Ratio ist eine Effektstärke, die das Verhältnis von therapeutischen Erfolgen und Misserfolgen in der Behandlungs- und Kontrollgruppe abbildet, also dichotome Maße zusammenfasst. Je nachdem, wie das Verhältnis gebildet wird, sind Werte über 1, wie hier, oder kleiner als 1, wie bei Lüdtke, Indikatoren für Erfolg. Hier bedeutet die OR = 2.45, dass Patienten in der Homöopathiegruppe 2.45 mal so häufig Erfolg hatten, oder 1.78 mal in den Studien, die höhere methodische Qualität aufwiesen. Beide Effektstärken waren signifikant. Allerdings zeigte sich eine lineare Abnahme des Effektes, je höher die methodische Güte der Studie war.

Verschiedene Validitätstypen

Dazu muss man folgendes wissen: die methodische Güte einer Studie ist kein eindeutiges Merkmal, wie die Farbe eines Autos. Es gibt zwar Kriterien, wie Verblindung, oder Randomisierung, etc. Diese bilden aber nur die sog. interne Validität ab, also die Sicherheit, mit der man sich auf die Schlussfolgerungen einer Studie verlassen kann. Wichtig ist aber auch die externe Validität, also die Anwendbarkeit, und die Modellvalidität, also die Sorgfalt, mit der eine Studie die zu untersuchende Therapie abgebildet hat. Interne und externe Validität sind eigentlich inkompatibel 13, d.h. man kann sie praktisch nicht in ein und der selben Studie optimieren sondern braucht dafür unterschiedliche Studientypen, und Modellvalidität ist sehr schwer zu fassen. Der Befund, den Klaus Linde und Kollegen dokumentieren, dass mit steigender interner Validität die Effekte kleiner werden ist ein wohlbekannter Effekt, der praktisch überall zu beobachten ist. Immerhin hatten auch noch die besten Studien eine signifikante Effektstärke. Diesen Befund haben zwar dann in der Folge verschiedene Autoren durch Sekundärpublikationen versucht zu relativieren. Das geht immer und wurde auch hier so gemacht, indem man eben Gründe sucht, um Studien nicht einzuschließen und dann eben nur die 5 oder 3 besten Studien nimmt. Dann verschwindet die Signifikanz der Effekte, weil sich die Variabilität vergrößert und die statistische Mächtigkeit abnimmt. Aber solche Strategien halte ich nicht für wissenschaftlich lauter, weswegen ich sie auch nicht weiter bespreche.

Cucherat et al. 2000

Die Analyse von Cucherat und Kollegen entstammte einem größeren Evaluationsprojekt und der Publikation ist anzumerken – und die Autoren machen auch keinen Hehl daraus, dass man versuchte mit allen Mitteln die verblüffende Signifikanz des Gesamtergebnisses zu reduzieren. Die Zusammenfassung selber ist vom Standpunkt der Meta-Analyse schwach, weil keine Effektstärken zusammengefasst wurden sondern eine extrem konservative Methode verwendet wurde, um die zusammengefasste Signifikanz zu dokumentieren. Das entsprach eigentlich schon damals nicht dem Stand der Kunst und tut es heute noch weniger. Die Autoren reduzierten den Gesamtpool an Studien auf die 17 besten und auch die kommen noch auf ein insgesamt signifikantes Ergebnis. Das schwindet erst dann, wenn man nur die 5 oder 3 allerbesten nimmt, aber dann hat man, wie schon oben besprochen, eben das Problem, dass man hohe Variabilität mit reduzierter statistischer Mächtigkeit paart. Das ist eine schlechte und technisch auch nicht empfohlene Methode, wenn man einmal die Literatur zur Meta-Analyse zur Kenntnis nimmt 14-17.

Shang et al 2005

Am häufigsten zitiert wird die Analyse von Shang und Kollegen, die aus dem schweizerischen Programm zur Evaluation der Komplementärmedizin (PEK) hervorgegangen ist. (Aus diesem Programm ist auch ein Health Technology Assessment Report zur Homöopathie entstanden, also ein pragmatischer Überblick. Dieser ist ebenfalls positiv ausgefallen.18) Shang und Kollegen fanden etwas weniger Studien als die Meta-Analysen vor ihnen. Das ist wohl das geringere Problem. Dann ordneten sie alle Studien nach Größe, die größten zuerst. Das hat eine gewisse Berechtigung, denn große Studien sind in aller Regel robuster in der Schätzung von Effekten als kleine, einfach weil bei ihnen die Schätzfehler statistisch gesehen geringer sind. Allerdings darf man folgendes nicht übersehen: Die Größe einer Studie, das hatten wir im vorigen Teil bereits gesehen, hängt auch davon ab, ob es für eine Krankheit bereits andere Therapien gibt, ob eine Therapie ganz neu ist, wie groß die zu erwartenden Effekte sind, etc. Bei Studien, die auf Pilotstudien aufbauen, die einen relativ großen Effekt gezeigt haben, wird sowohl aus ethischen als auch aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten eine relativ kleine Studie ausreichen, den Effekt zu zeigen. Bei Studien, die einen eher kleinen Effekt antizipieren, wird die Studie größer geplant. Daher das Vorgehen, nur die größten Studien zu berücksichtigen, nur in Grenzen sinnvoll.

Der entscheidende, und häufig kritisierte Schritt der Autoren war nun aber, lediglich acht aller Studien in die formale Analyse einzuschließen. Dieses Vorgehen wurde nirgends begründet, war nicht apriori definiert und wurde auch anschließend nie begründet. Erst auf vielfältigen Druck und Kritik hin19,20 gaben die Autoren auf ihrer Webseite bekannt, welches die 8 Studien waren, die eingeschlossen wurden. Das ist aus meiner Sicht ein inakzeptables Vorgehen, und eigentlich verstößt es gegen die Praxis guter Meta-Analysen, weswegen sich der Kenner wundern muss, warum Lancet diese Arbeit überhaupt zur Publikation angenommen hat. Wenn man nur diese 8 Studien analysiert, ergibt sich eine nicht-signifikante Effektstärke. Außerdem haben Shang und Kollegen noch eine weitere methodische Besonderheit eingebaut: sie haben zu jeder Homöopathie-Studie zufällig eine konventionelle Vergleichsstudie gesucht. Wenn man das macht, dann sieht man, dass die Effektstärken der konventionellen Studien auf einen Punkt konvergieren, der von Null verschieden ist, die Effekte der Homöopathiestudien aber gegen Null gehen und also von Placebo nicht verschieden sind.

Allerdings haben Shang und Kollegen nie den Gesamteffekt aller Studien berichtet, außer dass sie in ihrer Publikation gesagt haben, er sei signifikant.

Lüdtke & Rutten (2008)

Dies haben Lüdtke und Rutten in einer Re-Analyse der Shang-Daten nachgeholt. Sie haben zunächst die Analyse von Shang wiederholt und kamen zum gleichen Ergebnis. In einer sog. Sensitivitätsanalyse haben sie dann überprüft unter welchen Bedingungen der Effekt auftaucht und verschwindet. Sensitivitätsanalysen sind eigentlich Standard in der Meta-Analyse, und man muss sich wundern, warum Shang und Kollegen diese nicht selber durchgeführt und publiziert haben (und warum die Gutachter von Lancet bzw. der Herausgeber das nicht eingefordert haben). Solche Analysen zeigen nämlich, wie robust die Ergebnisse gegenüber den Vorannahmen sind. Da jede Meta-Analyse immer auch Annahmen trifft, ist es wichtig zu überprüfen, welchen Einfluss diese Annahmen auf die Robustheit des Ergebnisses haben, in diesem Fall etwa die Annahme dass es sinnvoll und richtig ist, die Daten nach Studiengröße zu ordnen und nur 8 aufzunehmen. Lüdtke und Rutten haben nun eine Analyse gerechnet, in der sie sukzessive immer mehr Studien einschlossen. Man sieht dabei: die Zahl von 8 Studien bezeichnet einen Punkt, an dem eine kumulative Meta-Analyse in den nicht-signifikanten Bereich kommt, nimmt man mehr Studien hinzu, wird die Effektgröße wieder signifikant, dann wieder nicht. Ab 14 Studien und bis zum Schluss, also zum Einschluss aller Studien, wird man immer eine signifikante Effektgröße finden, die immer um die Größe von OR = 0.76 schwankt, aber dann eben immer signifikant ist. Diese Effektgröße bedeutet, dass der Effekt unter Placebo 24% schwächer ist als unter Verum.

Es ist wichtig sich noch einmal vor Augen zu halten: Die Effektgröße schätzt den klinischen Effekt einer Intervention gegenüber Kontrolle, in dem Fall Placebo. Die Signifikanzberechnung fragt, ob dieser Effekt eine Zufallsschwankung darstellt oder nicht. Sie hängt im Wesentlichen davon ab, ob die Effektgrößen sehr stark schwanken, also davon, wie hoch die Variabilität der individuellen Effektgrößen in allen Studien ist, und davon, wie viele Studien zusammengefasst werden. Ist die Variabilität gering, dann können auch schon wenige, konvergierende Studien einen signifikanten Effekt zeigen. Umgekehrt müssen bei einer hohen Variabilität wie hier, viele Studien zusammengefasst werden, um einen signifikanten Effekt zu zeigen. Die Re-Analyse von Lüdtke und Rutten zeigt: es müssen 14 Studien sein, um einen robusten Effekt schätzen zu können, der immer signifikant ist. Das ist eigentlich bei insgesamt 110 Studien gar nicht übel und lässt im Nachhinein die Frage als berechtigt erscheinen, warum Shang und Kollegen sich auf 8 Studien kapriziert haben. Weil sie dann einen nicht-signifikanten Effekt belegen konnten? Weil die 8. Studie meine eigene war, die insgesamt die größte negative Effektstärke in der ganzen Literatur zeigt?21 Weil sie die Studiengröße von 100 als Grenzwert sahen? Warum aber dann meine Studie als 8. einschließen, die 98 Teilnehmer hatte und nicht 100? Wäre diese weggelassen worden und nur 7 Studien eingeschlossen worden, dann wäre der Effekt wieder signifikant geworden. Man sieht: die Übung von Lüdtke und Rutten war keineswegs umsonst. Denn sie zeigt, wie anfällig die Analyse von Shang und Kollegen gegenüber Entscheidungen ist. Und wenn Entscheidungen, wie hier, nicht rational begründet wurden, regt sich der Verdacht, dass Vormeinungen eine größere Rolle spielten als die leidenschaftslose Suche nach dem richtigen Vorgehen.

Außerdem zeigte die Analyse von Lüdtke und Rutten: den größten Einfluss auf die Signifikanz der Daten nimmt eine einzige negative Studie, die auch zu den größten überhaupt gehört, bei der Arnica zur Verhinderung eines Muskelkaters bei Marathonläufern verwendet wurde.22 Man kann sich zu Recht fragen, inwiefern eine solche Anwendung eine Aussagekraft für klinisch angewandte individualisierte Homöopathie hat. Schließt man diese Studie aus, dann ist der Effekt immer positiv, auch bei einem Datensatz von 7 Studien.

Mathie et al (2014)

Die Analyse von Mathie hatte explizit das Ziel, nur individualisierte, klassische oder individualisierte Homöopathie zu untersuchen. Sie fand einen signifikanten Effekt von OR = 1.53, der bei den methodisch besten Studien auf 1.98 anstieg. Ein Kranker, der in einer Homöopathiegruppe behandelt wird ist also um mehr als 50% besser dran als einer, der in einer Placebo-Gruppe behandelt wird. Nimmt man nur die besten Studien dann ist der Behandlungserfolg in der Homöopathiegruppe sogar fast doppelt so gut als in der Placebogruppe. Beide Effektschätzungen sind signifikant, also überzufällig von Null verschieden.

Robert Hahn, ein Schmerztherapeut aus Linköping in Schweden, wo damals ein heftiger Streit über anthroposophische und homöopathische Medizin  tobte, wollte sich einfach einmal informieren; er war weder Homöopath noch kannte er sich vorher in der Literatur aus. Er sichtete daher neugierig und interessiert die Literatur und stellte die Meta-Analysen, die ich oben besprochen habe, zusammen. 23 Er stellte erstaunt fest: Nur wenn man 90% bis 95% aller vorhandenen Studien ignoriert, kann man behaupten, die Homöopathie sei von Placebo nicht zu unterscheiden.

Ich persönlich stimme dem zu. Es ist eine merkwürdige Praxis, möglichst viele Studien aus der Effektberechnung auszuschließen, wie das Cucherat, Shang und andere immer wieder gemacht haben. Schließlich versucht man in jeder Meta-Analyse und in jedem systematischen Literaturüberblick alle Daten zu erfassen, sogar solche, die in obskuren Zeitschriften publiziert sind, die gar nicht publiziert sind oder die nur als Abstract oder Buchkapitel erschienen sind. Und im Normalfall ist eine Meta-Analyse umso gründlicher und zuverlässiger, je mehr Daten sie berücksichtigt. Gerade hier, bei der Homöopathie, wollen manche diese Praxis umkehren. Das Argument dafür ist: Nur die größten und zuverlässigsten Einzelschätzungen sind hilfreich. Dann kann man auch gleich wieder zu der Idee zurückkehren, mit einer einzigen, großen Studie alles entscheiden zu wollen. Weil genau das gar nicht geht, hat man ja die Idee der Meta-Analyse entwickelt. Aber genau für die Homöopathie soll das nun anders sein? Merkwürdige Logik.

(Selbst-)Kritische Gedanken

Ich persönlich meine, man kann das Motiv der kritischen Forscher und Literaturübersichten verstehen. Allerdings explizieren sie das Motiv nicht ganz genau. Hier ist eine kurze Rekonstruktion: Die gewöhnliche, sog. frequentistische Statistik, geht davon aus, dass wir nichts, aber auch gar nichts über den zu erforschenden Effekt wissen, dass also die Ausgangswahrscheinlichkeit 50:50 ist, dass wir einen Effekt finden. Das ist immer dann der Fall, wenn wir z.B. eine neue Substanz testen, von der wir nichts wissen. Allerdings haben wir dann, wenn wir z.B. erste Daten aus Tierversuchen und aus theoretischen Überlegungen haben bereits ein gewisses Vorwissen und unsere Ausgangswahrscheinlichkeit verschiebt sich. Streng genommen ist dann die klassische Statistik gar nicht mehr anwendbar und man müsste eine sog. Bayes’sche Statistik verwenden. Diese geht auf den irischen Pastor Bayes zurück, der klar erkannt hat, dass unsere Entscheidungen abhängig davon sind, welche Ausgangswahrscheinlichkeiten („prior odds“ oder „priors“) wir haben. Denn davon hängt ab, wie wir ein empirisches Ergebnis bewerten und welche Endwahrscheinlichkeit („posterior odds“ oder „posteriors“) entsteht. Das Gefüge unserer wissenschaftlichen Entscheidung enthält also nicht nur das nackte Ergebnis einer Studie, sondern das Ergebnis, bewertet auf dem Hintergrund unseres Vorwissens.

Diese Situation führt nun dazu dass Menschen, die implizit oder explizit skeptisch sind, der Homöopathie eher eine sehr niedrige Ausgangswahrscheinlichkeit – „prior odds“ – zubilligen. Wenn diese sehr niedrig ist, dann muss ein empirisches Ergebnis sehr mächtig sein, um diese zu verschieben und einen Skeptiker zu überzeugen. Genauer gesagt: das geht praktisch nicht. Denn so stark sind empirische Ergebnisse nie. Die Forschung ist fehlerbehaftet, die Studien sind nicht mächtig genug, oder man müsste extrem viele machen, was unrealistisch ist. Und vor allem: solange keine brauchbare Theorie der homöopathischen Wirkung existiert wird auch das stärkste empirische Ergebnis die theoretische Ausgangsskepsis nicht verändern können.

Wer will, kann diese Situation an einem Bayes-Rechner im Internet nachvollziehen; im Menu „interpret p-values“ wählen).

Man gibt hier bei „alpha“ den empirischen p-Wert ein, z.B. das empirische Ergebnis der Meta-Analyse von Cucherat 0.000038. Man wählt eine vernünftige statistische Mächtigkeit oder Power (siehe https://harald-walach.de/methodenlehre-fuer-anfaenger/13-power-analyse-die-magie-der-statistik-oder-der-unterschied-zwischen-signifikanz-und-relevanz/), also z.B. 90%. Dann kann man bei „prior probability“ die Ausgangswahrscheinlichkeit eingeben, z.B. 50% für jemanden, der eine ausgewogene Ausgangssituation hat, oder 0.1% für einen starken Zweifler, 0.0001% für einen extremen Skeptiker, oder 80% für einen der Homöopathie sehr Gewogenen. Dann erhält man die Endwahrscheinlichkeit (posterior odds) und sieht, wie stark die Ausgangswahrscheinlichkeit die Endwahrscheinlichkeit prägt. Für einen ausgewogenen Menschen, der keine Vormeinung hat, reicht eine starke Studie, um seine Endwahrscheinlichkeit fast in Sicherheit zu verwandeln und bei einem positiv der Homöopathie Zugeneigten sowieso. Aber bei einem Skeptiker wird eine solche Studie gar keine großartige Verschiebung der Position bewirken.

Aus diesem Grund sind diese Wahrscheinlichkeiten aus Studien eher theoretische Größen, die praktisch, je nach Ausgangssituation, ganz unterschiedlich bewertet werden. Weil die Menschen sich dieser Situation meist nicht bewusst sind, werden dann alle möglichen anderen Gründe aus dem Hut gezaubert. Ehrlicher wäre es zu sagen: „Ich glaube einfach nicht, dass Homöopathie funktionieren kann. Daher wird mich auch ein noch so starkes empirisches Ergebnis nie und nimmer überzeugen.“ Oder wie es Daniel Dennett einmal angesichts der Diskussion um die Parapsychologie, für die ähnliche Verhältnisse gelten, gesagt hat: „Wenn diese Daten stimmen würden, dann würde ich mich umbringen.“ 24, p. 269 Daher wird die Diskussion um die Wirksamkeit der Homöopathie nie und nimmer nur eine simple empirische Frage sein. Wäre sie das, wäre die Frage schon entschieden: die meisten Meta-Analysen, vor allem der komplette Datensatz der klinischen Homöopathiestudien, egal wie man sie analysiert, zeigen, dass Homöopathie von Placebo verschieden ist und also im herkömmlichen Sinne wirksam ist. Aber eben nur, wenn man mit einer offenen Sicht oder einer Ausgangswahrscheinlichkeit von 0,5 an die Daten herantritt.

Ein weiterer kritischer Gedanke:

Ein zentrales Anliegen von Forschung ist es, Fehler und Schwankungen zu korrigieren. Die Physiker zum Beispiel akzeptieren Daten normalerweise erst dann, wenn ein Effekt mit einer Wahrscheinlichkeit gesichert wurde, der 5 Standardabweichungen der Standardnormalverteilung entspricht, das berühmte „5 Sigma“. Das entspricht einer Wahrscheinlichkeit von p = 10-6, oder einer Kommazahl mit 6 Nullen hinter dem Komma. So stark sind die Effekte der homöopathischen Meta-Analysen bei weitem nicht. Allerdings gilt das für die gesamte Medizin, wie Horton, der Herausgeber von Lancet vor Kurzem einmal angemahnt hat 25. Der Unterschied ist, dass es für die Medizin insgesamt einen stillschweigenden Konsens gibt (und eine moderat robuste Datenbasis, würde ich sagen), dass die Ausrichtung, die theoretische Fundierung und daher die Bewertung der Ergebnisse solide sind. Manche bezweifeln das, vor allem angesichts der massiven Replikationskrise nicht nur in der Medizin und der Psychologie 26, sondern auch anderswo. 27,28 Aber insgesamt sind die Kritiker doch eher geneigt, den konventionellen Daten Glauben zu schenken, auch wenn sie verglichen mit denen der Homöopathie so verschieden und so besser oft nicht sind. Das hat aber wie gesagt eher theoretische und ideologische Gründe.

Allerdings muss man eines zugestehen: Es ist in der Homöopathie sehr schwierig replizierbare Befunde innerhalb eines Modells zu erzeugen, also z.B. 5 oder 10 Studien zum gleichen Krankheitsbild und mit der gleichen Methode zu machen, und dabei die ursprünglichen Effekte zu reproduzieren. Wo das versucht wurde, z.B. beim erfolgreichen Modell von Brigo mit Homöopathie bei Migräne – die wohl erfolgreichste Studie in der gesamten Homöopathie-Literatur 3 – da scheiterten die Nachfolgeversuche bzw. zeigten wesentlich schwächere Effekte 4,21,29. Man sieht das auch teilweise bei den erfolgversprechenden Versuchen von David Reilly, die wir besprochen haben (https://www.homöopathie-forschung.info/klassische-studien_heuschnupfen/). Zwar sind Einzelstudien sehr erfolgreich gewesen und die Meta-Analyse über alle Studien ist signifikant 30. Es gibt aber auch spektakulär gescheiterte Replikationen 31. Ob das anders und deutlicher ist als in der konventionellen Medizin weiß ich nicht; das mögen andere beurteilen. Auf jeden Fall zeigt diese Situation: wir haben die Homöopathie noch nicht gut genug verstanden. Ich persönlich bin der Meinung, dass sich dahinter eine völlig andere Kategorie von Effekten zeigt, die wir momentan nicht in unser wissenschaftliches Weltbild einordnen können.32-34 Daher ist auch der Kampf so heiß. Aber dies ist eine sehr spezialisierte Diskussion, die weit über die Frage der Wirksamkeit hinaus geht; daher will ich sie hier beschließen und vielleicht ein andermal wieder aufgreifen.

Fassen wir zusammen:

Die mehrfachen Meta-Analysen zur Homöopathie kommen in der Mehrzahl zu dem Schluss, dass Homöopathie von Placebo unterscheidbar ist. Man kann dieses Resultat ignorieren oder man kann es auch negieren, wenn man 90% bis 95% aller Daten ausschließt. Dann kann man auch getrost die Behauptung aufstellen, Homöopathie sei Placebo. Ob das lauter, sachgerecht und sinnvoll ist? Ich finde, das ist eine Verzerrung der Sachlage. Wenn man, wie bei Meta-Analysen üblich, alle Daten zusammenfasst, zeigt sich klar, dass Homöopathie von Placebo signifikant unterscheidbar ist. Für einen extremen Kritiker und Skeptiker, der mit einer starken negativen Vormeinung zur Plausibilität der Homöopathie die Daten beurteilt, wird die statistische Signifikanz nicht ausreichen, um seine Skepsis zu überwinden. Aber wenn man unvoreingenommen an die Daten herantritt muss man eingestehen: Homöopathie ist Placebo überlegen, jedenfalls über alle Studien hinweg. Das gilt für die individualisierte, klassische Homöopathie, aber auch für die vielen Studien, die die Homöopathie auf einfachere Weise modelliert haben. Daher ist es auch gerechtfertigt, um auf unsere Ausgangsfrage zurückzukommen, wenn der Gesetzgeber im Arzneimittelgesetz homöopathischen Einzelmitteln den je individuellen Nachweis der Wirksamkeit erlässt.

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Wirksamkeit und Wirtschaftlichkeit der Homöopathie

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Einige Überlegungen und Daten in 3 Teilen

Harald Walach

Derzeit häufen sich öffentliche Einlassungen zum Thema Homöopathie in der veröffentlichten Meinung, meistens mit dem anscheinend klaren Konsens: Homöopathie ist Placebo, also sollte es von der medizinischen Bildfläche verschwinden.

Wie immer bei solchen – oft von Aktivisten befeuerten Kampagnen, über deren Motive man zwischendurch einmal nachdenken sollte – ist die Diskussion extrem verkürzt. Daher will ich in einer Artikelserie mit drei Folgen unsere ursprünglich geplante Diskussion einzelner Studien unterbrechen.

Wir beginnen mit der juristischen Lage in Deutschland und warum es dazu kam, fahren dann fort mit ein paar Gedanken zur Wirksamkeit und schließlich zur Wirtschaftlichkeit.

Zulassung, rechtlicher Status und Prüfung von Homöopathika im deutschen Arzneimittelrecht

Der Gesetzgeber hat in Deutschland die Zulassung von Homöopathika und anderen naturheilkundlichen Arzneien im Arzneimittelgesetz geregelt.

Wie das Arzneitelegramm in seiner Juni-Ausgabe richtig berichtet, gibt es für die Phytotherapie, die anthroposophischen Medikamente und die Homöopathika im deutschen Arzneimittelrecht von den konventionellen Pharmaka verschiedene Zulassungsvoraussetzungen. Während neue chemische Arzneien einem komplexen Testverfahren unterzogen werden, müssen die anderen Arzneien diese Verfahren nicht durchlaufen.

Die Zulassung konventioneller, neuer Pharmaka

Potenzielle Wirksamkeit und Toxizität: Phase I

Das Testverfahren für neue chemische Arzneien sieht meistens so aus: Erst wird im Tierversuch im Rahmen eines Modells getestet, ob eine neue Substanz überhaupt eine Chance hat, therapeutisch zu wirken.

Dazu nimmt man Tiere, meistens Mäuse, die entweder genetisch so verändert sind, dass sie die zu behandelnde Krankheit von Natur aus bekommen, z.B. Diabetes-Mäuse, und behandelt sie dann mit dieser neuen Substanz, um zu sehen, ob sich irgendwelche klinischen Parameter, z.B. der Blutzuckerspiegel oder die langfristige Anlagerung von Zucker an Blutproteine verändert.

Oder aber man gibt den Fremdstoff, z.B. Tumorzellen, in eine gesunde Maus ein, so dass sie einen Tumor entwickelt und testet dann den neuen Stoff, z.B. ein neues Immuntherapeutikum oder ein neues Chemotherapeutikum.

Solche Studien werden meistens im Labor des Herstellers gemacht oder ausgelagert an Universitätsinstitute, die dann mit Geldern der Hersteller, sog. „Drittmittel“ diese Versuche machen.

In dieser Phase fallen bereits viele Substanzen durch, weil sie weniger wirksam sind, als man zunächst gedacht hatte.

Wenn sie aber im Tiermodell – so heißen diese Versuche in der Fachsprache – klinisch wirksam sind, also im kranken Tier relevante klinische Maße verändert haben, dann folgen zunächst erste Sicherheitsstudien. Genauer gesagt sind das Vergiftungsstudien. Denn nun werden andere Tiere mit relativ hohen Dosen des neuen Stoffes behandelt um zu sehen, ab welcher Dosis z.B. die Hälfte der Mäuse stirbt. Es werden auch Versuche gemacht, bei denen man an schwangeren Mäusen untersucht, ob es zu Missbildungen bei Föten kommt. Es ist dabei wichtig zu verstehen: Bei den meisten dieser Versuche werden die Tiere am Ende getötet, denn sie sind entweder ohnehin so schwer krank, dass sie elend verenden müssten, oder aber man muss sie töten, um bestimmte Parameter – etwa die Vergrößerung der Leber, oder Veränderungen im Gehirn – messen zu können.

Sicherheit und Unbedenklichkeit beim Menschen: Phase II

Wenn nun diese ersten Versuche vielversprechend sind und wir eine neue Substanz vor uns haben, bei der im Tierversuch Wirksamkeit und die mögliche Vergiftungsschwelle festgestellt wurde, dann werden erste Versuche am Menschen gemacht.

Zunächst wird in sog. Phase-2-Studien die Sicherheit am Menschen getestet.

Das sind meistens die Versuche, bei denen gesunde Freiwillige gesucht werden, die dann für ein paar Tage oder eine Woche in ein Labor eingeladen werden, wo sie mit der Substanz versorgt werden und man alle wichtigen physiologischen Funktionen untersucht, um zu sehen, ob das gewöhnliche Einnehmen einer solchen Substanz ein Sicherheitsrisiko darstellt. Gesunde Menschen vertragen solche Substanzen in der Regel ohne Probleme, weil man ja auch mit Dosen arbeitet, die – abgeleitet von der tödlichen oder schädigenden Dosis an der wesentlich kleineren Maus – viel geringer sind als diejenigen, die das Tier schädigen würden.

Aber dennoch kommt es immer wieder zu Zwischenfällen.

Daher sind die Probanden versichert und erhalten auch meistens ein relativ gutes Honorar – weil solche Versuche potenziell nicht ungefährlich sind.

Daher werden solche Versuche i.d.R. an einer eher kleinen Gruppe von Probanden durchgeführt. – Häufig sind das Studenten.

Und das ist auch der Grund, warum echtes Nebenwirkungspotenzial von neuen, zugelassenen Substanzen oft erst viel später sichtbar wird. Denn in dieser Phase werden nur solche Substanzen ausgefiltert, die schon bei der gewöhnlichen klinischen Dosierung sichtbare Probleme bereiten.

Klinische Wirksamkeit bei Patienten (Efficacy): Phase III

Wenn diese zweite Phase erfolgreich war, dann beantragen die Hersteller bei der Zulassungsbehörde, dem Bundesinstitut für Arzneimittel (BfArM), die Zulassung einer Phase-3-Studie. Das ist eine klinische Studie, bei der Patienten behandelt werden, die die Krankheit haben, für die die neue Substanz als Arznei vorgesehen ist. In der Regel werden solche klinischen Studien so geplant, dass gerade so viele Patienten eingeschlossen werden, wie man vermutlich braucht, um einen klinischen Effekt zu sehen. Nicht mehr und nicht weniger. Das hat ethische und wirtschaftliche Gründe. Zum einen will man nicht unnötig viele Patienten behandeln, wenn man noch nicht weiß, ob eine Substanz wirkt. Zum anderen kosten solche Studien enorm viel Geld. Daher hält man sie so klein wie möglich und macht sie gerade so groß wie nötig. Nun stellt sich die Frage der Kontrollbehandlung. Wenn für eine Krankheit bereits wirksame Behandlungen bekannt sind – sagen wir ein Hersteller will ein neues Immuntherapeutikum gegen Brustkrebs auf den Markt bringen – dann werden in aller Regel aktive Vergleichsstudien geplant, bei denen, je nach vermutetem Wirkprofil die Gleichwertigkeit mit vorhandenen oder die Überlegenheit gegenüber solchen Arzneien getestet wird.

Handelt es sich um eine relativ neue Substanz für eine Krankheit, bei der es keine oder wenig Standardbehandlungen gibt, dann fordert die Behörde meistens placebo-kontrollierte Studien. Diese werden in letzter Zeit aber immer weniger durchgeführt und gefordert, weil es eben schon relativ viele Substanzen gibt, die im klinischen Falle verwendet werden und die Frage meistens weniger die ist, ob eine neue Substanz besser wirkt als Placebo als die, ob sie gleich gut (und z.B. billiger und mit besseren Nebenwirkungsprofil) ist als bereits auf dem Markt befindliche Medikamente. Placebo-kontrollierte Studien werden meistens bei Krankheiten durchgeführt, wo es noch nicht viel Vergleichbares gibt, oder wo man mit einem relativ hohen Placebo-Effekt oder mit hohen Spontanheilungsraten rechnet.

Das ist oft nicht die Entscheidung des Herstellers allein, sondern auch der Zulassungsbehörde. Hier ist in Deutschland wie gesagt das Bundesinstitut für Arzneimittel (BfArM), oder für Europa die European Medicines Agency (EMA), oder für die USA die Federal Drug Agency (FDA) zuständig. Diese operieren selbständig, aber meistens bedeutet die Zulassung bei einer der größeren Behörden einen erleichterten Zugang zu einem anderen Markt. In der Regel fordern die Behörden mindestens eine, oft zwei kontrollierte Studien, die die Wirksamkeit der neuen Substanz belegen sollen. Dabei ist es unerheblich, wie viele Studien der Hersteller gemacht hat, die erfolglos waren und keine Wirksamkeit belegt haben. Wichtig ist, dass eine oder meistens zwei im Portfolio sind, die eine Wirksamkeit belegt haben.

Diese Situation ist wie gesagt zentral für die Zulassung einer Substanz. Ob sie damit auch wirklich klinisch relevant wirkt, ist eine ganz andere Frage.

Sicherheit und klinische Effektivität (Effectiveness): Phase IV und Post Marketing Surveillance (PMS)

Die klinische Effektivität lässt sich nämlich nur im Überblick prüfen: über alle durchgeführten Studien hinweg, z.B. in einer Meta-Analyse, oder in sehr großen klinischen, pragmatischen Studien, bei denen zum Beispiel die neue Substanz in einer großen randomisierten Studie, bei der also Teilnehmer per Zufall auf Gruppen verteilt werden, im Vergleich mit konventioneller Behandlung, in der wenig Ausschlußkriterien verwendet werden. Typische Phase III – Studien enthalten nämlich meistens ziemlich viele Ein- und Ausschlußkriterien, um die Patientengruppe möglichst homogen zu halten, damit man einen potenziellen Behandlungseffekt leichter erkennen kann. Das vermindert sozusagen das Rauschen, damit das Signal leichter erkennbar wird. In der klinischen Praxis hat man aber meistens keine derart saubere Situation. Die meisten Antidepressiva-Studien zum Beispiel werden mit Patienten gemacht, die nur Depression haben, sonst nichts, und die auch keine anderen Medikamente nehmen.

Solche Patienten sind allerdings selten. Daher dauern solche Zulassungsstudien oft auch lang und sind teuer. In der klinischen Praxis kommen solche „reinen“ Patienten nicht oft vor. Die meisten haben zu ihrer Depression oder Zielerkrankung auch noch andere Krankheiten, nehmen noch andere Arzneien, oder sind sonst irgendwie anders.

Pragmatische Studien versuchen nun typische Patienten, ohne viel Ein- und Ausschlußkriterien einzuschließen.

Solche Studien sind eigentlich nicht mehr im Interesse der Hersteller und werden daher auch selten von ihnen finanziert.

Die öffentliche Hand – Universitätsinstitute und staatliche Förderstellen – finanzieren noch am ehesten solche Studien. Aber im Vergleich zum Budget der Firmen sind diese Forschungsbudgets sehr klein. Daher wissen wir auch wenig über die klinische Brauchbarkeit von neu zugelassenen Arzneien, kurz nachdem sie auf den Markt gekommen sind. Wir wissen nur: Sie wirken! – Wir wissen nicht: wie gut, bei wem und bei wem nicht. Und wir wissen auch wenig über deren Nebenwirkungspotenzial. Zwar werden in den typischen Phase-III-Studien auch viele Frage zur Sicherheit und zu Nebenwirkungen gestellt und diese Punkte werden bei der Zulassung berücksichtigt. Bedenkt man aber, dass typische Zulassungsstudien oft nur 50 bis 200 Patienten behandeln, in seltenen Fällen (und bei sehr kleinen pharmakologischen Effekten) auch mal bis zu mehreren Tausend, dann kann man sich leicht ausrechnen, dass seltene, aber schwerwiegende Fälle statistisch gesehen in solchen Zulassungsstudien nicht auftauchen.

Diese seltenen, aber schweren Nebenwirkungen tauchen erst in großen Vergleichsstudien der Phase IV oder in sog. Post-Marketing Surveillance Studien auf. Das sind Beobachtungsstudien, bei denen verordnende Ärzte den beobachteten Effekt und Nebenwirkungen der neuen Substanz in der klinischen Praxis dokumentieren.

Das ist auch der Grund, warum  bei manchen Substanzen die Erkenntnis, dass sie zu gefährlich sind, um sie regulär anzuwenden, oft um 10 Jahre oder länger hinter der Zulassung hinterherhinkt.

Es brauchte erst den Vioxx-Skandal, um die Gefährlichkeit der neuen Cox2-Inhibitoren zu erkennen, die eben manchmal zu Herztod führen können.1-5

Das Selbstmordpotenzial von selektiven Serotonin-Reuptake-Inhibitoren, vor allem bei Kindern und Jugendlichen, aber auch bei anderen, benötigte fast 20 Jahre von den ersten Berichten bis zur Aufnahme in den Beipackzettel.6-11

Wirksamkeit, Zulassung und klinische Brauchbarkeit

Diese Situation führt nun zu der merkwürdigen Situation, dass wir jede Menge zugelassener Substanzen haben, die dann oft auch noch jenseits der ursprünglich definierten Zulassungsbedingungen („off label use“) angewandt werden, also offiziell „wirksam“ sind, deren klinische Brauchbarkeit aber zweifelhaft ist.

Hier sind zwei Beispiele, die gerade angesichts der Grippesaison, die im Anrollen ist, bedenkenswert sind:

Vor einigen Jahren machten die Neuroaminidase-Hemmer als Grippemittel Furore (z.B. https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/daz-az/2000/daz-1-2000/uid-6109) und werden immer noch verwendet. Tamiflu, die Substanz mit dem Wirkstoff Oseltamivir, wurde aggressiv beworben als extrem wirksam. Die WHO forderte Regierungen auf, angesichts der damals grassierenden Vogelgrippe die Substanz in die öffentlichen Regale zu nehmen. Regierungen kauften sie zu Millionen, ja Milliardenbeträgen. Veröffentlichte Studien belegten die Wirksamkeit.

Die Cochrane-Collaboration Arbeitsgruppe wollte eine Meta-Analyse durchführen und forderte von Roche und anderen Herstellern die Überlassung aller Zulassungsstudien, auch der negativen, was ihnen abgeschlagen wurde. Erst ein langwieriger juristischer Prozess, angestoßen von Peter Gøztsche und seiner Arbeitsgruppe, der die EMA am Ende zwang, die Unterlagen herauszurücken, führte dazu, dass eine Meta-Analyse erstellt werden konnte, die auch die negativen Daten enthielt, also Studien, die keine Wirksamkeit belegen konnten12. – Diese waren zwar vom Hersteller an die Zulassungsbehörde gegeben worden, wie es rechtlich erforderlich ist. Sie waren aber meist nicht in der wissenschaftlichen Literatur publiziert, wie es sich eigentlich gehören würde. Denn die Daten der Zulassungsstudien sind immer noch Eigentum der Hersteller, die sie dann publizieren, wenn es ihnen in den Kram passt und dann eben nicht publizieren, wenn sie sich damit selber schädigen würden. Das ist ja auch nachvollziehbar. Aber im öffentlichen Interesse wäre es, wenn die Zulassungsbehörden immer alle Unterlagen publik machen würden. Das ist eben in diesem Falle geschehen und ab jetzt kann auch jeder bei der EMA alle Unterlagen anfordern.

Diese Meta-Analyse belegt nun eine nur geringgradige Wirksamkeit: Während eine normale Grippe nach 7 Tagen, im Durchschnitt besser wird, führt Tamiflu dazu, dass sie nach 6.3 Tagen besser wird.13 Prophylaktische Effekte, deretwegen Regierungen zum Hamsterkauf von Tamiflu aufgefordert worden waren, sind bei Kindern gar nicht und bei Erwachsenen nur bei manchen Substanzen und in geringem Grad erkennbar. Nebenwirkungen hingegen sind deutlich: Wenn 30 Leute damit behandelt werden, hat ein Patient Nebenwirkungen wie Übelkeit oder Schwindel und in seltenen Fällen treten auch neurologische und psychiatrische Nebenwirkungen auf.

Dann schon lieber Grippe, würde ich sagen.

Ein zweites Beispiel: Wenn die Grippesaison naht, prangt in jeder Apotheke prominent die Werbung für irgendwas mit Aspirin.

Das leuchtet ein. – Denn Aspirin ist ja u.a. ein Entzündungshemmer, lange schon zugelassen und wirksam. Sucht man in der medizinischen Literaturdatenbank Pubmed mit den sog. „medical subject heading“ terms, also offiziellen Schlagwörtern, „influenza“, „aspirin/pharmacology” und “randomized controlled trial, RCT, oder placebo” in Titel und Abstract aller publizierter Studien, will also wissen, welche Informationen es zur Wirksamkeit von Aspirin bei Grippe gibt, dann findet man genau eine Studie, in Zahlen: 1 (https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed?term=(((((randomized%20controlled%20trial%5BTitle%2FAbstract%5D)%20OR%20RCT%5BTitle%2FAbstract%5D)%20OR%20placebo%20controlled%5BTitle%2FAbstract%5D))%20AND%20%22influenza%20a%20virus%22%5BMeSH%20Major%20Topic%5D)%20AND%20%22aspirin%2Fpharmacology%22%5BMeSH%20Major%20Topic%5D).

Das ist eine kleine Studie aus dem Jahr 1994, die bei 65 alten Menschen, die gegen Grippe geimpft wurden zusätzlich Aspirin verwendet haben, um zu sehen, ob sich die Reaktion auf die Impfung verbessert. – Tut sie nicht.

Dies sind jetzt zugegeben zwei unfreundliche, aber durchaus nicht unrepräsentative Beispiele. Wir wissen in der Regel viel über die Wirksamkeit von Substanzen auf dem Markt. Wären sie nicht in einem relativ engen Sinne wirksam, wären sie nicht zugelassen. Aber diese Wirksamkeit heißt noch lange nicht klinische Effektivität. Da diese sehr selten formell und sorgfältig untersucht ist, weil es gar nicht im Interesse der Hersteller liegt werden Substanzen oft lange angewandt und über ihren eigentlichen Bereich hinaus, bevor Probleme sichtbar werden.

Preise und Bezahlung

Man kann sich vorstellen: Diese ganze Zulassungsprozedur ist nicht ganz billig. Für moderne Krebsmedikamente werden die Entwicklungskosten auf ca. 650 Millionen USD pro Medikament geschätzt.

Im Durchschnitt nehmen die Firmen damit 6.5 Milliarden USD pro Medikament ein.14

Das sind aber nur die Erfolgsgeschichten: Auf anderen Sektoren sind Firmen oft nicht erfolgreich. So wurden etwas mehr als 84 unterschiedliche Substanzen durch verschiedene Testverfahren gebracht, die man bei Alzheimer Demenz verwenden wollte. Davon haben es nur 4 auf den Markt geschafft 15. Das heißt: die Kosten für erfolglose Entwicklungen müssen bei den erfolgreichen eingepreist werden; und das passiert auch. Der Endverbraucher, also Privatpersonen und Krankenkassen, bezahlen die Entwicklung, den komplexen Zulassungsprozess und die dafür nötigen Studien, sowie die von den Investoren erwarteten, teilweise zweistelligen oder hohe einstellige prozentualen Zuwachsraten der Arzneimittelhersteller 1.

Wir fassen zusammen:

Der moderne Zulassungsprozess für neu entwickelte Arzneien geht von unten nach oben und gleicht einem umgekehrten Trichter: In den Trichter wird viel Energie, Forschung, Ideen, erste Studien eingebracht.

Am Ende kommen nur wenig vermarktbare Substanzen heraus, die eine Zulassung schaffen.

Von denen, die die Zulassung schaffen ist zunächst nur bekannt: Sie sind wirksam in einem eng definierten Sinn. Entweder (und eher selten) sind sie besser als Placebo. Oder sie sind mindestens nicht schlechter als bereits bekannte und auf dem Markt befindliche Substanzen. Und von diesen altbekannten Substanzen nimmt man einfach an – oder weiß es aus früheren Untersuchungen – dass sie besser sind als Placebo.

Bei Cytostatika, also Krebsmedikamenten z.B. werden placebo-kontrollierte Studien sehr selten durchgeführt, weil man immer davon ausgeht, dass die alten Cytostatika wirksam sind.

Diese Wirksamkeit im Sinne der Zulassung heißt aber noch nicht klinische Nützlichkeit. Es kann sein, dass eine Substanz wirksam ist, aber die Effekte so klein sind, dass sie, im Vergleich zu Kosten und Nebenwirkungen eigentlich unbrauchbar ist.

Das dürfte bei den meisten Antidementiva, also Arzneien zur Behandlung der Alzheimer-Demenz, der Fall sein 16.

Oder es kann sein, dass eine Substanz sehr wirksam ist, aber die Nebenwirkungen so drastisch, dass man sich die Anwendung überlegen muss.

All diese Punkte gehen in das Kalkül der Hersteller ein, die die Preise gestalten und darin meistens komplett frei sind. Zumindest bis jetzt.

Das soll sich allmählich ändern.

Aber noch immer ist der Markt eine Bonanza für Hersteller. Auch wenn die Kosten für die Zulassung hoch sind: Einmal zugelassene Substanzen spielen oft das 10-fache oder mehr dessen ein, was für die Entwicklung aufgewendet wurde.

Die Zulassung von Homöopathika und anderen naturheilkundlichen Substanzen in Deutschland

Mit Homöopathika und anderen naturheilkundlichen Substanzen aus dem Bereich der Phytotherapie, der Anthroposophie oder anderer traditioneller Heilverfahren ist die Situation anders, eigentlich komplett anders herum; darauf hatten wir vor Zeiten schon hingewiesen 17.

Hier haben wir meistens eine bereits lange vorhandene Tradition von Arzneimitteln, die im Falle der Homöopathie fast per definitionem sicher sind.

Denn, wie bereits in anderen Blog-Beiträgen (z.B. https://www.homöopathie-forschung.info/populaere-irrtuemer_1/) erläutert: Homöopathische Arzneien werden zumindest so stark verdünnt, dass bei giftigen Ausgangssubstanzen keine Gefahr mehr besteht und meistens sowieso so stark, dass keine oder fast keine Ausgangsmoleküle mehr in der Arznei sind. Daher muss hier in den seltensten Fällen Sicherheit nachgewiesen werden.

Das Screenen, also das Untersuchen, bei welcher Krankheit eine Substanz hilfreich sein kann, entfällt auch, weil dieser Prozess durch die Erfahrung bereits vorgenommen wurde, also durch die Jahrhunderte des Gebrauchs, der Bewährung und des Versuchs und Irrtums. Auch die mögliche Indikation und die Anwendung wurden durch die Tradition bereits nahegelegt.

Homöopathische Einzelarzneien

Der Gesetzgeber hat nun klar erkannt, dass diese Situation genau umgekehrt zu derjenigen ist, die wir bei modernen Arzneien vorfinden und daher auch ein anderes Zulassungsverfahren eingeführt. Er hat im Falle der Homöopathie ein Homöopathisches Arzneibuch eingeführt, eine Herstellungsrichtlinie für Homöopathika, an die sich Hersteller halten müssen. Dazu gehört etwa die spektralanalytische Untersuchung von Ausgangsstoffen, so dass gewährleistet ist, dass die Ausgangssubstanz tatsächlich die ist, die behauptet wird und frei von Verunreinigungen. Dazu gehört aber auch ein geregelter und sauberer Herstellungsprozess.

Damit sind also Phase I und II des konventionellen Verfahrens überflüssig – nicht ganz. Denn Phase II im konventionellen Prozess entspricht die homöopathische Arzneimittelprüfung (https://www.homöopathie-forschung.info/populaere-irrtuemer_4/). Die Arzneien werden am Gesunden geprüft. Im Grunde ist Hahnemann sogar der Erfinder der Phase II-Prüfung, denn er war der erste, der Arzneisubstanzen systematisch am Menschen geprüft hat. Diese Arzneimittelprüfungen ergeben, so haben wir gesehen, das Arzneimittelbild der Homöopathie. Dieses ist aber, anders als in der konventionellen Medizin, keine Diagnose, sondern eine Sammlung von Symptomen, die die Anwendung der Arznei anzeigen (https://www.homöopathie-forschung.info/populaere-irrtuemer_3/). Die Phase III, also der Nachweis der Wirksamkeit gegenüber Standard oder Placebo, schenkt der Gesetzgeber den homöopathischen Herstellern und Arzneien. Warum? Eben weil es eine Erfahrungsmedizin ist, die sicher ist (Phase I und II) und sich aus der traditionellen Nutzung ergibt.

Solche traditionelle Nutzungen haben auch viele konventionelle Arzneien – wie etwa Aspirin – für sich reklamiert, ohne dass sie die Zulassung nochmals neu erringen mussten.

Die Arzneimittelkommission D beim BfArM hat über viele Jahre die homöopathische Arzneimittellehre gesichtet und für die einzelnen Arzneien die wichtigsten bewährten Indikationen und Symptome in sog. „Monographien“ zusammengetragen. Man kann diese als herstellerischen und zulassungstechnischen Minimalkonsens über die Wirkung homöopathischer Arzneien sehen. Diese Angaben stammen aus der publizierten homöopathischen Literatur, aus Arzneimittelprüfungen und Einzelfällen. Dabei sollte man nicht vergessen: Die homöopathischen wissenschaftlichen Zeitschriften sowohl in Deutschland als auch in England und den USA gehören zu den ältesten wissenschaftlichen medizinischen Zeitschriften überhaupt und enthalten sehr viel Erkenntnismaterial in Form von solchen Arzneimittelprüfungen und Fallbeschreibungen.

Aus diesem Grund müssen homöopathische Einzelarzneien auch nur registriert werden: d.h. für sie ist nachgewiesen, dass sie sicher sind, dass sie so hergestellt wurden, wie das Gesetz es verlangt, dass sie nicht verunreinigt sind und also im Sinne der homöopathischen Therapie verwendet werden können. Mehr nicht.

Wir wissen also nicht: Soll man es bei Schnupfen, Kreuzweh oder kaputten Zehennägeln verwenden? Denn eine Indikation ist damit nicht verbunden.

Daher kann man auch nicht so einfach eine Phase III Prüfung verlangen und durchführen. Denn homöopathische Arzneien werden nicht für Indikationen und Krankheiten, sondern für kranke Menschen mit einem bestimmten Symptomenbild verwendet. Wollte man das verlangen, so wäre für jede der potenziell über 1.500 Arzneien eine Vielzahl von Studien nötig für jede der potenziellen Indikationen. Das ist klarerweise eine Forderung, die unsinnig ist. Zum einen deswegen, weil Homöopathie wie gesagt so gar nicht verwendet wurd. Nicht zuletzt aber auch deswegen, weil es niemand gibt, der das bezahlen kann. Denn der Umsatz der homöopathischen Hersteller ist allenfalls zwei Prozent des gesamten Marktes und in keiner Weise zu vergleichen mit dem der großen Arzneimittelhersteller, und die öffentliche Hand hat für derlei Späße kein Geld. Der Umsatz an homöopathischen Arzneien lag 2018 bei 670 Mio Euro und betrug damit 1.7% des Gesamtumsatzes von knapp 39 Milliarden Euro, die die gesetzlichen Krankenkassen 2018 für Arzneimittel ausgegeben haben. Daher ist die oft verlautete und wenig durchdachte Forderung nach der „Gleichbehandlung“ der Homöopathie mit konventionellen Pharmaka ein verkapptes Totschlagargument. Denn die, die es lauthals vertreten, wissen genau, dass es den Tod der Homöopathie einläuten würde, und zwar nicht deshalb, weil Studien negativ ausfallen würden – das tun sie nicht, wie wir noch sehen werden – sondern weil dies keiner bezahlen kann. Ausserdem ist die Forderung reine Propaganda. Denn sie ist zu großen Teilen schon Praxis, wie wir jetzt sehen werden.

Bewährte Indikationen

Nun gibt es aber sog. „bewährte Indikationen“, also Krankheitsbilder, bei denen immer wieder ähnliche Symptome im Vordergrund stehen, die bestimmte homöopathische Arzneien indizieren. Also etwa das hohe Fieber und der rote Kopf bei Belladonna, oder die Schmerzen in Sehnen und Bändern bei Zerrungen, die besser werden bei leichter Bewegung, die Rhus toxicodendron anzeigen.

Nun sind viele Hersteller dazu übergegangen Arzneien für Indikationen herzustellen, also eine Salbe bei Zerrungen, oder ein Erkältungsmittel. Bestandteil solcher Arzneien sind dann eben z.B. Belladonna und eine Reihe weiterer Substanzen oder Rhus tox. und Arnica und noch ein paar Arzneien in einer Mischung. Einige solcher Substanzen sind schon lange auf dem Markt. Sie konnten daher über eine einfache Registrierung und einen Beleg über die Anwendung dieser Arzneien bei solchen Erkrankungen in der Tradition zugelassen werden. Viele der homöopathischen Kombinationsarzneimittel sind traditionell zugelassen und schon sehr lange auf dem Markt.

Sehr oft aber wurden in neuerer Zeit solche Arzneimittel, entweder weil sie neu beantragt wurden oder weil die Behörde das bei Nachzulassungen forderte, auch klassischen Wirksamkeitsstudien im Sinne der oben erwähnten Phase III Studien unterzogen18-23. Manchmal müssen Hersteller Studien nachliefern, um z.B. eine spezielle Dosierung für Kinder erhalten zu können, die an sich in der traditionellen Zulassung dabei war,24,25 oder um eine spezielle Indikation mit einem Medikament beanspruchen zu können26.

Für neu beantragte Präparate mit Indikationsanspruch, also Mischungen von homöopathischen Arzneien, gilt generell, dass der Hersteller über Daten die Wirksamkeit belegen muss. Der Anspruch an diese Daten ist bei Trivialindikationen – Schnupfen, Husten, Heiserkeit z.B. – wenig hoch. Dann genügen aussagekräftige Beobachtungsstudien die argumentieren, dass die Anwendung der Substanz sicher ist und einen Vorteil gegenüber dem bekannten natürlichen Verlauf oder anderen konventionellen oder naturheilkundlichen Anwendungen hat.27

Wollte hingegen ein Hersteller ein Homöopathikum zur Behandlung von, sagen wir, Depression, auf den Markt bringen, so würde das BfArM eine veritable klinische Studie fordern wie für konventionelle Substanzen auch. Meines Wissens hat das aber noch niemand gemacht, weil eine Depressionsbehandlung homöopathisch fast immer nur mit einer individualisierten Behandlung glückt, wenn überhaupt. Für eine solche individualisierte homöopathische Behandlung liegen übrigens sogar einige Studien vor, die wir bei anderer Gelegenheit noch gesondert besprechen28-30. Die entsprechende BfArM-Richtlinie legt fest: Je stärker die beanspruchte Indikation, desto höher die Anforderung an die Daten.

Sicherheit ist in der Regel durch die Herstellung geklärt. Gefahren bestehen praktisch nicht. Die Anwendung ist durch die Tradition gegeben und durch die Monographien festgeschrieben. Und falls Indikationen für ein zugelassenes Arzneimittel beansprucht werden, müssen  Daten vorgelegt werden – zusätzlich zu der Begründung der Kombination aus den Monographien – im Ernstfall auch klinische Phase-3-Studien. Die oben genannten Beispiele sind nur eine zufällige Auswahl. Bei systematischer Suche würde sich eine große Zahl von randomisierten Studien zu Zulassungszwecken von homöopathischen Komplexarzneimitteln finden, die vergleichbar sind mit konventionellen Zulassungsstudien. Daher ist es falsch, wenn immer wieder behauptet wird, homöopathische Arzneien müssten ihre Wirksamkeit nicht belegen. Sie müssen das dann nicht, wenn sie als Einzelarzneien ohne Indikationsanspruch angewandt und ausgegeben werden. Sie müssen das aber sehr wohl, wenn sie mit einem Indikationsanspruch zugelassen werden sollen und haben dies auch getan. Die vom „Arzneitelegramm“ zitierte Aussage des BfArm, dass es keine einzige „zum Beleg der Wirksamkeit geeignete Studie“  gibt ist nur für schwere Indikationen richtig (siehe Jahresbericht BfArM 2017/18), nicht aber für einfachere Indikationen.

Platt gesagt: Je näher die Verwendung einer homöopathischen Arznei an der konventionellen Diagnostik, Denkungsart und Anwendung liegt („Arznei xyz gegen abc-Krankheit“), umso stärker gleicht auch hier der Zulassungprozess der konventionellen Zulassung.

Diese Situation argumentativ verändern zu wollen, würde viele Klimmzüge erfordern. Da bei klassischer Homöopathie gar keine Indikationen maßgeblich sind, jedenfalls nicht in erster Hinsicht: Wie soll eine indikationsbezogenen Zulassung erfolgen? Das kann nur bei bewährten Indikationen geschehen, und dort ist sie bereits gefordert. Da die Sicherheit sozusagen per definitionem gegeben ist: Warum sollten unnütze Tierversuche gemacht werden? Da Phase-II Studien am Menschen per definitionem als Arzneimittelprüfung am Gesunden gemacht wurden: Warum sollen sie nochmals gemacht werden?

Wir sehen: das Geschrei nach Gleichbehandlung ist allenfalls Kampagnenradau oder schlecht informierte Publizistik, entstammt aber nicht sorgfältiger, sachgerechter Überlegung.

Wie aber sieht es nun mit der Wirksamkeit der Homöopathie aus im Sinne von Wirksamkeit gegenüber Placebo und klinischer Effektivität? Darüber geben teilweise unsere Reihe zu klinischen Studien Auskunft. Etwas detaillierter will ich mich aber dann doch noch in der nächsten Folge dazu auslassen.

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